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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Luft auflösen, lehnte Joss sich zurück.
    »Vorsicht, Le Guern«, warnte Decambrais. »Kein Wort darüber zu irgend jemandem.«
    »Lizbeth?«
    »Nicht einmal Lizbeth weiß das. Niemand darf es wissen.«
    »Warum haben Sie es mir dann gesagt?«
    »Eine Hand wäscht die andere«, erklärte Decambrais und leerte sein Glas. »Auf einen ehrenwerten Mann anderthalbe. Wenn Sie deswegen Ihre Meinung über das Zimmer ändern, dann sagen Sie es nur frei heraus. Ich kann es verstehen.«
    Joss richtete sich mit einem Ruck auf. »Nehmen Sie es immer noch?« fragte Decambrais. »Ich habe nämlich Interessenten.«
    »Ich nehme es«, antwortete Joss hastig.
    »Also dann bis morgen«, sagte Decambrais und stand auf. »Und danke für die Nachrichten.«
    Joss packte ihn am Ärmel.
    »Decambrais, was ist mit diesen Nachrichten?«
    »Sie haben etwas Abgründiges, Fauliges. Auch etwas Gefährliches, da bin ich mir sicher. Sobald ich einen Schimmer habe, sage ich es Ihnen.«
    »Wie der Leuchtturm«, bemerkte Joss fast träumerisch, »wie wenn man den Leuchtturm sieht.«
    »Ganz genau.«
     

8
     
    Ein großer Teil der Vieren auf den Wohnungstüren der drei markierten Gebäude war bereits entfernt worden, vor allem in den beiden Häusern im 18. Arrondissement, deren Türen nach Auskunft einiger Bewohner bereits vor zehn beziehungsweise acht Tagen bemalt worden waren. Aber es handelte sich um eine Acrylfarbe von guter Qualität, und so befanden sich auf den hölzernen Türblättern noch immer sichtbare schwärzliche Spuren. Das Gebäude von Maryse hingegen wies noch zahlreiche intakte Vieren auf, die Adamsberg fotografieren ließ, bevor sie entfernt wurden. Sie waren mit der Hand gemalt worden und nicht in Serie mit einer Schablone. Und doch zeigten alle dieselben Besonderheiten: siebzig Zentimeter hoch, der Strich gut drei Zentimeter breit, alle waren spiegelverkehrt, am Ansatz mit Tatzen und am Querbalken mit zwei Längsstrichen versehen.
    »Gute Arbeit, nicht wahr?« sagte Adamsberg zu Danglard, der den ganzen Ausflug über geschwiegen hatte. »Der Mann ist geschickt. Er macht das in einem Zug, ohne neu anzusetzen. Wie ein chinesisches Schriftzeichen.«
    »Unbestreitbar«, bemerkte Danglard, als er sich neben dem Kommissar ins Auto setzte. »Das Schriftbild ist elegant und schwungvoll. Er hat Übung.«
    Der Fotograf lud seine Ausrüstung in den Fond, und Adamsberg fuhr behutsam an.
    »Sind die Abzüge eilig?« fragte Barteneau.
    »Überhaupt nicht«, erwiderte Adamsberg. »Geben Sie sie mir, wann Sie können.«
    »In zwei Tagen«, schlug der Fotograf vor. »Heute abend muß ich noch Bilder für den Quai des Orfèvres fertigmachen.«
    »Apropos Quai, Sie brauchen denen nichts davon zu erzählen. Das bleibt ein kleiner Spaziergang unter uns.«
    »Wenn er Übung hat«, fuhr Danglard fort, »ist er vielleicht wirklich Maler.«
    »Ich glaube nicht, das sind keine großen Werke.«
    »Aber das Ensemble könnte eines sein. Stellen Sie sich vor, der Kerl macht sich an Hunderte von Häusern, dann wird man am Ende von ihm reden. Eine gewisse Verbreitung, die Einbeziehung der Gesellschaft - so was nennt man ›Aktionskunst‹. In einem halben Jahr ist der Name des Täters bekannt.«
    »Ja«, erwiderte Adamsberg. »Vielleicht haben Sie recht.«
    »Ganz sicher«, bekräftigte der Fotograf.
    Plötzlich fiel Adamsberg dessen Name wieder ein: Brateneau. Nein. Barteneau. Mager, rothaarig, Fotograf gleich Barteneau. Sehr gut. Was den Vornamen anging, war nichts zu machen, aber man kann schließlich von niemandem Unmögliches verlangen.
    »Bei mir in Nanteuil gab es einen Typen, der innerhalb einer Woche hundert öffentliche Papierkörbe rot angestrichen und mit schwarzen Punkten versehen hat«, fuhr Barteneau fort. »Man hätte meinen können, ein Schwarm riesiger Marienkäfer wäre über der Stadt niedergegangen, jeder an einen Mast gekrallt wie an einen riesigen Zweig. Nun, einen Monat später hat der Typ einen Job beim größten Lokalsender bekommen. Heute hat er gewaltigen Einfluß auf die Kulturpolitik der Stadt.«
    Adamsberg schwieg, während er sich geduldig durch den Sechs-Uhr-Stau schlängelte.
    »Ein Detail stört«, sagte er, als er an einer roten Ampel hielt.
    »Ich hab's bemerkt«, unterbrach ihn Danglard.
    »Was?« fragte Barteneau.
    »Der Typ hat nicht alle Wohnungstüren angemalt«, erklärte Adamsberg. »Er hat sie alle außer einer angemalt. Und das in drei Gebäuden. Die ausgesparte Tür ist nicht überall die gleiche. Im Haus von

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