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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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»Der ›Schwarze Tod‹.«
    »Genau das. Aber ich glaube nicht, daß dieser Mann an der Pest gestorben ist.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    Adamsberg zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß es nicht. Zu überzogen. In Frankreich gibt es seit langem keine Pest mehr.«
    »Man kann immer noch Menschen damit infizieren.«
    »Dazu müßte man sie sich beschaffen können.«
    »Das ist nicht schwer. Die Forschungsinstitute sind voll mit Yersinien, hier in Paris und anderswo. An diesen geheimen Orten geht der Kampf weiter. Ein geschickter, versierter Mensch könnte sich da bedienen.«
    »Was sind Yersinien?«
    »Das ist ihr Familienname. Name, Vorname: Yersinia pestis. Eigenschaft: Pestbazillus. Beruf: historischer Massenmörder. Zahl der Opfer: zig Millionen. Motiv: Sühne.«
    »Sühne«, murmelte Adamsberg. »Sind Sie sich sicher?
    »Tausend Jahre lang hat niemand daran gezweifelt, daß Gott persönlich die Pest über die Welt gebracht hat, um uns für unsere Sünden zu bestrafen.«
    »Ich will Ihnen mal was sagen: Ich möchte Gott nicht mitten in der Nacht auf der Straße begegnen. Stimmt das, was Sie da sagen, Danglard?«
    »Es stimmt. Die Pest ist die Geißel Gottes schlechthin. Stellen Sie sich einen Typen vor, der so was in seiner Tasche spazieren trägt - das kann explosiv werden.«
    »Und wenn es das nicht ist, Danglard, wenn man uns nur glauben machen will, daß ein Typ die Geißel Gottes in seiner Tasche spazieren trägt, wäre das katastrophal. Kaum wird das bekannt, verbreitet es sich wie ein Präriefeuer. Wir riskieren eine kollektive Psychose, groß wie ein ganzes Gebirge.«
    Vom Auto aus rief Adamsberg in der Brigade an.
    »Strafverfolgungsbrigade, Oberleutnant Noèl«, meldete sich eine barsche Stimme.
    »Noèl, nehmen Sie einen Mann mit, jemand Unauffälligen, oder besser nein, nehmen Sie diese Frau mit, die braunhaarige, etwas zurückhaltende...«
    »Oberleutnant Hélène Froissy, Kommissar?«
    »Ganz richtig, und begeben Sie sich schleunigst zur Kreuzung Edgar-Quinet-Delambre. Überprüfen Sie von weitem, ob ein gewisser Decambrais sich an seinem Wohnsitz aufhält, Ecke Rue de la Gaite, und bleiben Sie vor Ort bis zum Abendausrufen.«
    »Zum Abendausrufen?«
    »Wenn Sie's sehen, werden Sie es verstehen. Ein Kerl steigt kurz nach sechs auf eine Kiste. Bleiben Sie da, bis Sie abgelöst werden, und achten Sie möglichst auf alles. Vor allem auf das Publikum des Ausrufers. Ich melde mich wieder.«
     
    Die fünf Männer stiegen in den fünften Stock hinauf, wo sie der Kommissar des 1. Arrondissements erwartete. In allen Stockwerken waren die Wohnungstüren gesäubert worden, aber man konnte noch gut die breiten schwarzen Spuren erkennen, die die kürzlich aufgetragene Farbe hinterlassen hatte.
    »Kommissar Devillard«, flüsterte Danglard Adamsberg zu, bevor sie das letzte Stockwerk erreichten.
    »Danke«, erwiderte Adamsberg.
    »Anscheinend übernehmen Sie den Fall, Adamsberg?« fragte Devillard und schüttelte ihm die Hand. »Ich habe gerade mit dem Quai des Orfèvres gesprochen.«
    »Ja«, antwortete Adamsberg. »Ich war schon auf seiner Spur, da gab's ihn noch gar nicht.«
    »Wunderbar«, sagte Devillard, der übermüdet schien. »Ich habe einen Einbruch in einer Videothek am Hals, eine wirklich große Sache, und dreißig aufgebrochene Autos in meinem Sektor. Ich hab diese Woche mehr, als mir zusteht. Sie wissen, wer der Typ ist?«
    »Ich weiß nichts, Devillard.«
    Adamsberg zog die Wohnungstür zu, um sich die Vorderseite anzusehen. Sie war sauber, ohne die geringste Farbspur.
    »Rene Laurion, ledig«, erklärte Devillard, während er seine ersten Notizen durchsah, »zweiunddreißig Jahre, Inhaber einer Autowerkstatt. Korrekt, keine Vorstrafen. Die Putzfrau hat die Leiche gefunden, sie kommt einmal die Woche, dienstags morgens.«
    »Pech«, bemerkte Adamsberg.
    »Wirklich. Sie hat einen Nervenzusammenbruch erlitten, ihre Tochter hat sie abgeholt.«
    Devillard drückte ihm seine Notizen in die Hand, und  Adamsberg nickte ihm dankend zu. Er näherte sich der Leiche, und die Männer von der Spurensicherung machten ihm Platz. Der Mann war nackt, auf den Rücken gedreht, die  Arme ausgebreitet, und seine Haut hatte etwa zehn große rußschwarze Flecken an den Schenkeln, am Rumpf, an einem Arm und im Gesicht. Seine Zunge hing aus dem Mund, sie war ebenfalls schwarz. Adamsberg kniete sich hin.
    »Simuliert, wie?« fragte er den Gerichtsmediziner.
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig, Kommissar«,

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