Fliehe weit und schnell
zur Seite.
»Entschuldigen Sie«, sagte Decambrais. »Aber ich muß dem Gespräch folgen. Am nächsten Tag gebe ich Ratschläge, verstehen Sie? Ich muß mich auf dem laufenden halten.«
»Er ist verliebt, was?« fragte Adamsberg im unbestimmt interessierten Tonfall des Mannes, der mit geringem Einsatz Lotto spielt.
»Damas?«
»Ja. In die Sängerin?«
»Getroffen. Was wollten Sie von mir, Kommissar?«
»Es ist geschehen, Decambrais«, sagte Adamsberg leise. »Eine schwarze Leiche, Rue Jean-Jacques Rousseau. Man hat sie heute morgen entdeckt.«
»Schwarz?«
»Erwürgt, nackt und mit Kohle eingerieben.«
Decambrais biß die Zähne zusammen.
»Ich wußte es«, sagte er.
»Ja.«
»War es eine nicht markierte Tür?«
»Ja.«
»Haben Sie die anderen überwachen lassen?«
»Die achtundzwanzig anderen.«
»Entschuldigung. Ich kann mir denken, daß Sie Ihr Handwerk verstehen.«
»Ich brauche diese ›Speziellen‹, Decambrais, alle, die sich in Ihrem Besitz befinden, zusammen mit den Umschlägen, wenn Sie sie noch haben.«
»Folgen Sie mir.«
Die beiden Männer überquerten den Platz, und Decambrais führte Adamsberg in sein überquellendes Arbeitszimmer. Er räumte einen Stapel Bücher ab, um Adamsberg einen Platz anzubieten.
»Hier«, sagte Decambrais und reichte ihm einen Packen Blätter und Umschläge. »Was die Fingerabdrücke angeht, können Sie sich ja denken, daß das wenig Sinn hat. Le Guern hat sie mehr als einmal angefaßt, und danach ich. Ich brauch Ihnen meine nicht zu geben, Sie haben sie von allen zehn Fingern im Zentralregister.«
»Ich brauche noch die von Le Guern.«
»Auch im Register. Le Guern hat vor vierzehn Jahren im Knast gesessen, eine große Schlägerei in Le Guilvinec, soweit ich weiß. Sehen Sie, wir sind entgegenkommende Menschen, wir machen die halbe Arbeit für Sie. Sie brauchen kaum zu fragen, und schon sind wir in Ihrem Computer.«
»Sagen Sie mal, Decambrais, hier haben ja alle schon mal im Knast gesessen.«
»Es gibt solche Orte, wo der Geist weht. Ich lese Ihnen die Spezielle von Sonntag vor. Es gab nur eine: Am Abend nach Hause zum Essen und höre dort zu meiner großen Beunruhigung, daß die Pest jetzt in die City gekommen ist. Auslassungspunkte. Zum Amt, um meine Briefe zu beenden, und dann nach Hause zu Bett, beunruhigt über die Seuche, und mein Kopf auch voll von anderen Dingen und besonders, wie ich Vermögen und Besitz ordnen soll, falls es Gott gefallen sollte, mich abzurufen, was Gott zu seinem Ruhme lenken möge!«
»Die Fortsetzung des Tagebuchs von diesem Engländer«, vermutete Adamsberg.
»Ganz richtig.«
»Sepys.«
»Pepys.«
»Und gestern?
»Gestern gab es nichts.«
»Ach was«, bemerkte Adamsberg. »Er verlangsamt das Tempo.«
»Ich glaube nicht. Hier ist die von heute morgen: Diese Geißel ist immer bereit und untersteht dem Befehl Gottes, der sie schickt und sie wieder verschwinden läßt, wann es ihm gefällt. Beachten Sie dieses ›immer bereit‹ und das ›wann es ihm gefällt‹. Er trompetet. Er höhnt.«
»Er spielt den Übermächtigen«, sagte Adamsberg.
»Also den Infantilen.«
»Das bringt uns nicht weiter«, bemerkte Adamsberg kopfschüttelnd. »Er ist kein Idiot. Mit all den Bullen am Hals wird er uns keine Ortsangabe mehr liefern. Er braucht Bewegungsfreiheit. Er hat das ›Quartier Rousseau‹ genannt, um sicherzugehen, daß wir die Verbindung zwischen dem ersten Verbrechen und seiner angekündigten Pest herstellen. Es ist gut möglich, daß er jetzt unbestimmter wird. Halten Sie mich auf dem laufenden, Decambrais, Anzeige für Anzeige.«
Adamsberg verließ ihn, den Packen mit Botschaften unter dem Arm.
18
Am nächsten Tag gegen zwei Uhr spuckte der Computer einen Namen aus.
»Ich habe einen«, rief Danglard und winkte seine Kollegen herbei.
Etwa zehn Beamte gruppierten sich hinter ihm, die Augen auf den Bildschirm seines Computers geheftet. Seit dem Vormittag suchte Danglard einen CLT in der Kartei, während andere weitere Informationen über die achtundzwanzig bedrohten Wohnungen zusammentrugen und vergeblich eine Verbindung suchten. Am Vormittag waren die ersten Ergebnisse vom Labor gekommen: Das Schloß war auf professionelle Weise geknackt worden. In der Wohnung befanden sich keine weiteren Fingerabdrücke außer denen des Opfers und der Putzfrau. Die Holzkohle, die zum Schwärzen der Haut des Leichnams verwendet worden war, war aus Apfelholz und stammte nicht aus den im Handel erhältlichen Säcken, die
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