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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Licht. Keuchend setzte er sich auf die Motorhaube eines Autos und verschränkte die Arme vor dem Bauch. Camille war nicht mehr bei sich zu Hause vorbeigegangen, sicherlich würde sie auf und davon ziehen, ohne sich umzudrehen. So war das, wenn Camille loszog. Wer weiß, wann er sie wiedersehen würde, in fünf Jahren, in zehn Jahren oder nie mehr, auch das war möglich.
    Verdrossen und mit langsamen Schritten kehrte er nach Hause zurück. Wenn der Pestbereiter nicht seine Zeiten und Gedanken heimgesucht hätte, wäre das nicht passiert. Müde ließ er sich auf sein Bett fallen, wortlos, während die betrübte junge Frau erneut ihre besorgten Fragen abspulte.
    »Bitte sei still«, sagte er.
    »Es ist doch nicht meine Schuld«, rief sie empört.
    »Es ist meine«, erwiderte Adamsberg und schloß die Augen. »Aber sei jetzt still oder geh.«
    »Ist dir das egal?«
    »Mir ist alles egal.«
     

29
     
    Um neun Uhr betrat Danglard besorgt Adamsbergs Raum, auch wenn er wußte, daß der geringe Kontakt des Kommissars zur Realität die Beständigkeit seines umherschweifenden Wesens nicht grundlegend beeinträchtigen konnte. Tatsächlich blätterte Adamsberg an seinem Schreibtisch einen Stapel Zeitungen durch, deren Schlagzeilen ziemlich verheerend waren, ohne daß ihn dies zu beeindrucken schien; sein Gesicht war so ruhig wie gewöhnlich, vielleicht ein wenig abwesender.
    »Achtzehntausend markierte Gebäude«, bemerkte Danglard und legte ihm eine Notiz auf den Tisch.
    »Das ist gut, Danglard.«
    Danglard blieb schweigend stehen.
    »Gestern auf dem Platz hätte ich den Typen beinahe erwischt«, sagte Adamsberg mit fast tonloser Stimme.
    »Den Pestbereiter?« fragte Danglard überrascht.
    »Den Pestbereiter persönlich. Aber er ist mir entwischt. Alles entwischt mir, Danglard«, fügte er hinzu, und sein Blick kreuzte rasch den seines Stellvertreters.
    »Haben Sie etwas gesehen?«
    »Nein. Eben nichts.«
    »Nichts? Wie können Sie dann sagen, daß Sie den Typen beinahe erwischt hätten?«
    »Weil ich's gespürt habe.«
    »Was gespürt?«
    »Ich weiß es nicht, Danglard.«
    Danglard gab auf. Er zog es vor, Adamsberg allein zu lassen, wenn dieser seine vagen Gefilde ansteuerte, jenes Wattenmeer, wo die Schritte im weichen Schlamm versinken, wo Wasser und Land miteinander ringen. Er verdrückte sich zum Eingangstor, um Camille anzurufen, mit dem schamhaften Gefühl, wie ein Spion in der Brigade zu flüstern.
    »Du kannst hin«, sagte er leise. »Er ist hier und hat einen Stapel Arbeit, hoch wie der Eiffelturm.
    »Danke, Adrien. Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Camille.«
    Danglard legte traurig auf, ging an seinen Schreibtisch und schaltete mechanisch den Computer ein, dessen Signalton ein wenig zu fröhlich in seine düsteren Gedanken drang. Ein Computer ist blöd und paßt sich nicht an. Anderthalb Stunden später sah er, wie Adamsberg mit relativ raschem Schritt an ihm vorbeiging. Danglard rief sofort bei Camille an, um ihr einen möglichen Besuch anzukündigen. Aber Camille hatte bereits die Segel gesetzt.
    Wieder stand Adamsberg vor verschlossener Tür, aber diesmal zögerte er nicht. Er nahm seinen Hauptschlüssel und öffnete. Ein Blick in das Atelier reichte aus, und er begriff, daß Camille weg war. Der Synthesizer war verschwunden, ebenso die Werkzeugtasche und der Rucksack. Das Bett war gemacht, der Kühlschrank geleert und der Strom abgestellt. Adamsberg setzte sich auf einen Stuhl, um die verlassene Wohnung zu betrachten und nachzudenken. Er betrachtete, aber er dachte nicht nach. Eine knappe Dreiviertelstunde später riß ihn das Handy aus seiner Starre.
    »Masséna hat gerade angerufen«, sagte Danglard. »Sie haben eine Leiche in Marseille.«
    »Das ist gut«, kommentierte Adamsberg wie schon am Morgen. »Ich komme. Besorgen Sie mir ein Ticket für den nächsten Flug.«
    Bevor er gegen zwei Uhr die Brigade verließ, in der lebhafter Betrieb herrschte, stellte Adamsberg seine Tasche vor Danglards Schreibtisch ab.
    »Ich fahre«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte Danglard.
    »Ich vertraue Ihnen die Brigade an.«
    »Ja.«
    Adamsberg suchte nach Worten, und sein Blick blieb auf Danglards Füßen haften, die halb einen runden Korb verbargen, in dem ein ebenso rundes, winziges Kätzchen schlief.
    »Was ist denn das, Danglard?«
    »Das ist eine Katze.«
    »Bringen Sie Katzen mit in die Brigade? Finden Sie nicht, daß wir hier schon genug Chaos haben?«
    »Ich kann es nicht zu Hause lassen. Es ist zu jung, es macht

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