Flirt mit dem Tod
ihn. Und das war auch gut so. Schließlich hatte er die Taschen voller richtig gutem Stoff, den er heute noch an den Mann und die Frau bringen wollte.
Lässig lehnte er sich gegen die Mauer des Grand Love Hotels und wartete auf seine Kundschaft.
*
Als Elena ins Department kam, war außer Josh nur Sam Finn da. Beide blickten ihr gespannt entgegen.
Sie zog den Mantel aus und rieb ihre eiskalten Hände aneinander. Es war eine der ersten richtig kalten Herbstnächte gewesen und die Temperaturen lagen auch jetzt, am frühen Morgen, noch unter null Grad. Ausgerechnet in einer so kalten Nacht hatte sie aus ihrem warmen Bett kriechen müssen. Sie war sich sicher, dass sie nicht nur fror, weil der Herbst begonnen hatte, sondern auch wegen ihres Schlafmangels, der immer größere Ausmaße annahm.
»Gibt es etwas Neues?«, fragte sie.
Josh nickte. »Ich habe die öffentlichen Auftritte des Senators in den letzten Wochen im Internet verfolgt. Er hat wasserdichte Alibis mit allem Drum und Dran. Mit jeder Menge Fotos und hübscher Ehefrau an seiner Seite. Bei Tash Edwards war es eine Spendengala und bei Carly Paulson eine Wahlkampfveranstaltung.«
»Das war zu erwarten.« Elena zog ein paar Akten aus ihrer Tasche und legte sie auf den Schreibtisch. »Glaubst du, Miss Vermont wurde von unserem Mann angegriffen?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Josh kratzte sich das unrasierte Kinn. Eine Geste, die Elena sehr an Dominic erinnerte. »Wenn er es wirklich war, dann weiß ich nicht, was der schiefgegangene Übergriff für Folgen haben wird.«
Sam sah von der Tastatur auf. »Du meinst, er könnte jetzt entweder völlig ausrasten und überreagieren, oder sich zurückziehen und abwarten.«
»Die Frage ist eher, ob er befürchtet, erkannt worden zu sein, oder ob er sich sicher fühlt«, sagte Elena.
»Wenn er jetzt durchdreht, dann wissen wir zumindest, dass der Mann heute Nacht unser Täter war.« Sam wandte sich wieder seinem Bericht zu und tippte weiter.
»Ich glaube, sein Ego ist groß genug, um sich sicher zu fühlen. Er hält sich für unbesiegbar. Wenn wir uns an unser Täterprofil halten, hat er seinen Trieb, den er unbedingt befriedigen muss, an der Frau nicht ausleben können. Aber sein Ziel bei Dominic hat er erreicht. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ihm das genügt. Ich befürchte, sein Trieb ist stärker als das Bedürfnis, Dom eins auszuwischen.« Josh war zu ihrem Schreibtisch herübergekommen und sah sich die Akten an, die sie gerade hingelegt hatte. »Was hast du da?«
»Das sind Akten, die Dominic herausgesucht hat. Er hat sich noch nicht einmal die Hälfte aller Fälle angesehen. Aber bei denen hier«, sie tippte auf den kleinen Stapel, »hat es Probleme bei den Festnahmen oder im Verlauf der Ermittlungen gegeben. Die hier haben allesamt gedroht, ihn zu zerstören oder ihn umzubringen. Und sie sind alle nicht mehr im Knast.«
»Dann sollten wir mit denen beginnen.«
Der Tag verlief genauso erfolglos wie die vergangenen. Es war zum Verzweifeln. Hilflos kaute Elena auf ihrem Daumennagel. Es konnte doch nicht sein, dass es keinen einzigen Hinweis auf den Täter gab.
Sie hatten alle Personen überprüft, die Dominic ihnen genannt hatte. Alle hatten wasserdichte Alibis. Von einer Kirchengruppe bis zu einer erneuten Inhaftierung war alles dabei. Dominic rief zwischendurch an, um sich nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen. Er kam mit seinen Cousins und Onkeln auch nicht weiter. Niemand von ihnen schien als Täter infrage zu kommen, wenn auch mancher von ihnen eine wirklich üble Laufbahn eingeschlagen hatte.
Es war frustrierend. Den einzigen neuen Anhaltspunkt lieferte Ben Wood in der Fünfuhrbesprechung.
Er war am Morgen, wie mit Elena besprochen, vom Tatort zu ihrem Haus gefahren und hatte ein paar Fotos von Dominic gemacht. Er nahm ihn aus verschiedenen Perspektiven auf. Dann verglich er die Aufnahmen mit den Fotoschnipseln, die bei den weiblichen Leichen gefunden worden waren. Die Ausschnitte stammten mit Sicherheit von einem Foto von Dominic. Die Mundwinkel und das Ohr waren identisch mit der Frontalaufnahme, die der Kriminaltechniker von seinem Gesicht gemacht hatte. Das war ein weiteres Indiz dafür, dass der ganze Fall mit Dominic zusammenhing. Wenn sie jetzt das Foto finden könnten, das zerschnitten worden war, dann hätten sie eine neue Spur. Aber so weit war es noch nicht. Elena sehnte sich nach ihrem Haus, nach einem heißen Bad und einem Abend mit Rabbit vor dem Fernseher. Dann
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