Flirt mit der Unsterblichkeit
weder vor Amelie oder Oliver noch vor einem Holzpfeil im Herzen.« Michael nickte Shane zu. »Trotzdem danke für die Unterstützung. Nett von dir.«
»Brutale Gewalt. Das ist eben meine Methode.«
»Solange du nur auf den Richtigen zielst.«
Shane schaute so unschuldig drein, wie er konnte, und legte die Hand aufs Herz. »Aber immer doch! Es sei denn, du zeigst mir wieder deine Vampirzähne oder sagst mir noch ein Mal, dass ich bei den Mädchen bleiben soll.«
»Cool. Dann lass uns jetzt ein paar Untote auf dem Bildschirm erschießen.«
»Loser.«
»Nicht, wenn ich gewinne.«
»Nie im Leben.«
2
Am nächsten Tag hatte Claire Unterricht an der Texas Prairie University, was immer spannend und nervig zugleich war. Spannend, weil sie es geschafft hatte, sich in viele Fortgeschrittenenkurse zu mogeln, für die sie gar nicht die Voraussetzungen mitbrachte. Und nervig, weil diejenigen, die nicht über Morganville Bescheid wussten - was so ziemlich auf alle Studenten dort zutraf - , sie wie ein kleines Kind behandelten. Diejenigen, die wussten, wie es um Morganville bestellt war, mieden sie überwiegend. Als zum zweiten Mal jemand versuchte, ihr einen Kaffee zu spendieren, und dabei den Blickkontakt mit ihr mied, ging ihr auf, dass ein paar Leute in der Stadt sie noch immer für wichtig hielten - auf Monica-Morrell- Niveau wichtig.
Monica, die Königin der unter Dreißigjährigen in Morganville, war deswegen ernstlich angepisst. Doch Claire war längst nicht mehr die ahnungslose Studienanfängerin mit vorzeitiger Zulassung, die sie im vergangenen Jahr noch gewesen war. Wenn Monica versuchte, sie zu schikanieren - was mit absoluter Sicherheit ein paar Mal pro Woche vorkam - , dann ging Monica aus diesen Konflikten nicht mehr automatisch als Siegerin hervor. Claire allerdings auch nicht. Aber ein Unentschieden war Claires Ansicht nach immer noch besser, als besiegt zu werden. So blieben wenigstens alle am Leben.
Ihren ersten Stopp legte Claire im Studi-Shop auf dem Campus ein, wo sie einen neuen Rucksack kaufte, einen robusten, nicht allzu protzigen, der außen und innen jede Menge Taschen hatte. Sie schlüpfte in die nächste Mädchentoilette, um den Inhalt ihrer notdürftig zusammengeklebten Büchertasche in den neuen Rucksack umzuräumen. Fast hätte sie die alte Tasche weggeworfen... aber irgendwie hatte sie Erinnerungswert. Sie war zerrissen, abgewetzt und mit allen möglichen Flecken übersät, über deren Herkunft Claire gar nicht nachdenken wollte. Doch sie hatte diese Tasche mitgebracht, als sie damals nach Morganville gekommen war. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie, wenn sie sie fortwarf, auch die Chance wegwerfen würde, jemals von dort zu entkommen. Es war verrückt, aber sie kam nicht dagegen an. Also stopfte sie die zusammengerollte alte Tasche in ihren neuen Rucksack, warf ihn sich über die Schulter und rannte über den Campus zur ersten Stunde.
Drei ereignislose (und überwiegend langweilige) Stunden später traf sie auf Monica Morrell, die auf den Stufen vor dem Sprachen- und Kunstgebäude saß. Sie trug eine Sonnenbrille, hatte sich zurückgelehnt und beobachtete die Leute, die vorübergingen. Eine ihrer Lippenstift-Mafia-Freundinnen war bei ihr - Jennifer - , aber von der anderen, Gina, war weit und breit nichts zu sehen. Wie immer war Monica teuer gestylt und sah perfekt aus - von Daddys Vermögen musste wohl noch einiges übrig sein, egal was die Wirtschaftsfritzen im Fernsehen sagten. Jennifer wirkte, als würde sie die Billigversionen von dem erwerben, was Monica zum vollen Preis kaufte. Aber sie sahen beide gut aus und etwa alle dreißig Sekunden blieb irgendein Student vor ihnen stehen, um mit ihnen zu plaudern - und fast immer wurde er in der Luft zerrissen. Einige Jungs nahmen es gelassen. Andere sahen aus, als wären sie kurz davor, auf schreckliche Weise Schlagzeilen zu machen.
Claire ging die Treppe hinauf und ignorierte die Mädchen, aber da erklang Jennifers helle Stimme: »Hey, Claire! Guten Morgen!«
Das war so unheimlich, dass Claire abrupt stehen blieb. Sie blickte zu ihnen hinüber. Jennifer winkte. Und Monica auch. Das waren dieselben Mädchen, die sie geschlagen, getreten und die Treppe hinuntergeworfen hatten, die sie mindestens zweimal entführt und mit Messern bedroht hatten, die versucht hatten, ihr Haus abzufackeln... Claire war nicht danach, bei dieser Dicke-Freundinnen-Masche mitzuspielen.
Sie warf den beiden einen langen Blick zu und ging weiter
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