Flirt mit der Unsterblichkeit
hinaufging, erfasste sie ein Windstoß und die Glocken erklangen im Chor. Sie blickte zum Himmel und entdeckte rasch ziehende Wolken. Das Wetter änderte sich. Regen vielleicht. Es fühlte sich schon kälter an.
Sie klopfte nicht, sondern benutzte einfach ihren Schlüssel, ging geradewegs hinein und stellte ihren Rucksack im Flur ab. »Hey, ich bin zu Hause!«, rief sie und verriegelte die Tür hinter sich. »Mom?«
»Küche«, kam es gedämpft zurück. Claire ging den Flur entlang - es war der gleiche wie im Glass House, aber Mom hatte ihren mit gerahmten Fotos ihrer Familie verschönert. Claire zuckte bei ihren Junior-High- und Highschool-Fotos immer zusammen. Sie sah darauf so unbeschreiblich streberhaft aus, aber sie konnte Mom nicht davon überzeugen, sie abzuhängen. Eines Tages bist du froh, dass du sie hast, sagte Mom immer. Claire konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Mutter recht behalten würde.
Auch das Wohnzimmer war irritierend vertraut. Statt der gemütlichen, zusammengewürfelten Möbel des Glass House standen hier solche, die Claire aus ihrer Kindheit kannte, angefangen von dem alten Sofa bis hin zum Lieblingsledersessel von Claires Dad. Die Gerüche, die aus der Küche kamen, waren ebenfalls vertraut: Mom bereitete gefüllte Paprika zu. Claire wappnete sich, denn sie konnte gefüllte Paprika nicht ausstehen, aber sie aß fast immer die Füllung, einfach um nett zu sein.
»Warum können es keine Tacos sein?«, seufzte sie vor sich hin. Dann stieß sie die Küchentür auf. »Hi, Mom, ich bin...«
Sie blieb wie angewurzelt stehen und machte große Augen, weil Myrnin am Küchentisch saß. Myrnin, der Vampir. Myrnin, ihr Boss. Der wahnsinnig verrückte Wissenschaftler Myrnin. Vor ihm stand eine Tasse, in der sich hoffentlich kein Blut befand, und er war beinahe normal angezogen - er trug eine ausgefranste Jeans, ein blaues Seidenhemd und darüber eine Art kunstvolle Gobelinweste. An den Füßen hatte er natürlich Flipflops, die schienen ihm wirklich zu gefallen. Sein Haar fiel ihm in schwarzen, schimmernden Wellen auf die Schultern und seine Blicke folgten Claires Mutter, die am Herd beschäftigt war.
Mom war angezogen wie immer, also sehr viel formeller, als Leute in Claires Alter für angemessen hielten, um zu Hause herumzulungern. Eine schöne Ausgehhose, eine langweilige Bluse und Schuhe mit mittelhohen Absätzen. Sie trug sogar Schmuck - zumindest eine Halskette und Ohrringe.
»Guten Abend, Claire«, sagte Myrnin und wandte seine Aufmerksamkeit damit ihr zu. »Deine Mutter war sehr freundlich zu mir, während ich hier auf dich gewartet habe.«
Mom drehte sich um und in ihrem Lächeln lag eine falsche Fröhlichkeit. Myrnin machte sie nervös, auch wenn er offenbar alles tat, um normal zu wirken. »Wie war es an der Uni, Liebes?« Sie küsste Claire auf die Wange und Claire versuchte, sich nicht zu winden, als ihre Mom ihr die Lippenstiftspuren abrubbelte, die sie hinterlassen hatte. Wenigstens benutzte sie keine Spucke.
»Es war großartig«, sagte Claire. Damit war das obligatorische Uni-Gespräch abgehakt. Sie nahm eine Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie und machte es sich gegenüber von Myrnin am Tisch bequem, der ruhig an seiner Kaffeetasse nippte. »Was wollen Sie hier?«
»Claire!«, sagte ihre Mutter und klang ein wenig empört. »Er ist ein Gast!«
»Nein, er ist mein Boss und Bosse schauen nicht eben mal uneingeladen bei meinen Eltern vorbei. Was wollen Sie hier?«
»Ich schaue uneingeladen bei deinen Eltern vorbei«, sagte Myrnin. »Ich dachte, es wäre gut, wenn ich sie näher kennenlerne. Ich habe ihnen erzählt, wie zufrieden ich bisher mit dir bin. Deine Forschungsarbeit gehört zu den besten.«
Er zeigte sich wirklich von seiner höflichsten Seite. Und was er sagte, klang kein bisschen verrückt - übertrieben vielleicht, aber nicht verrückt.
»Ich habe heute frei«, betonte Claire. Myrnin nickte und stützte das Kinn auf seine Hand. Er hatte ein nettes Lächeln, wenn er sich dazu entschloss, es einzusetzen, so wie jetzt. Es war vor allem an Claires Mutter gerichtet, die mit einer Kaffeekanne herüberkam und ihm nachschenkte.
Oh, gut. Dann wurde also nichts Ekliges serviert.
»Ich weiß, du hattest heute einen langen Tag«, sagte er. »Das ist ein rein freundschaftlicher Besuch. Ich wollte deinen Eltern versichern, dass alles gut läuft mit dir.« Er blickte hinunter in seinen Kaffee. »Und dass das, was geschehen ist, nie wieder vorkommen wird.«
Was
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