Flirt mit der Unsterblichkeit
Morganville auszuwandern«, sagte Oliver. Seine Stimme klang tief und gelassen, aber Claire spürte trotzdem, wie ihr kalt wurde. »Er hat eine gefährliche Weltanschauung und stellt draußen ein Risiko für diejenigen von uns dar, die... Wie sagt man noch mal? Die nicht auffallen wollen.«
»Aber... wir haben einen Deal vereinbart. Shane, Eve, Michael und ich. Wir haben versprochen, ihnen Pässe zu besorgen.«
»Ich bin mir des Deals durchaus bewusst. Was ist deine Frage?«
»Es ist nur... Morley sagte, dass er uns umbringen würde. Wenn wir ihm keine Pässe besorgen. Das haben wir dir bereits gesagt.«
Oliver schwieg lange, dann sagte er: »Welchen Teil von Ich bin mir dessen bewusst hast du nicht verstanden, Claire? Du und deine Freunde, ihr habt Pässe, um Morganville zu verlassen. Zufällig hat Michael beantragt, nach Dallas reisen zu dürfen, um Aufnahmen zu machen und Konzerte zu geben. Wir haben beschlossen, das zu genehmigen, unter der Bedingung, dass ihr alle zusammen reist. Mit Eskorte.«
»Eskorte?«, fragte Claire. »Du meinst Polizei?« Sie dachte an Sheriff Hannah Moses, die nicht nur eine gute Begleiterin, sondern auch einen genialen Bodyguard abgeben würde. Claire hatte Hannah von Anfang an gemocht und sie glaubte, dass Hannah sie auch mochte, soweit eine Exsoldatin ein dünnes, streberhaftes Mädchen, das halb so alt war wie sie, eben mögen konnte.
»Nein«, sagte Oliver. »Ich meine nicht die Polizei.« Er legte auf. Claire starrte einen Augenblick auf das Display, dann klappte sie das Telefon zusammen und steckte es wieder in ihre Tasche. Sie blickte hinunter auf die Pässe, den Umschlag, den Brief.
Amelie hatte beschlossen, Morley echt wütend zu machen, aber zumindest hatte sie auch beschlossen, Claire und ihre Freunde aus der Stadt zu lassen. Mit Eskorte. Irgendwie ahnte Claire, dass das nicht einfach nur eine erwachsene Aufsichtsperson sein würde, die sie begleitete.
»Geh deinen Vater holen«, sagte ihre Mom und fing an, den Tisch zu decken. »Er ist oben am Computer. Sag ihm, das Abendessen ist fertig.«
Claire sammelte alles ein und verstaute es in ihrem Rucksack, bevor sie nach oben ging. Wieder überwältigte sie das Déjà-vu- Gefühl. Bei ihren Eltern wohnte sie sogar im gleichen Zimmer wie im Glass House, auch wenn sich die beiden Räume keine Spur ähnelten. In ihrem alten Zimmer standen Möbel, die sie bekommen hatte, als sie zehn war - alles weiß und verschnörkelt. Dazu rosafarbene Vorhänge. Ihr Zimmer im Glass House war ganz anders - dunkles Holz, dunkle Stoffe. Erwachsen.
Dads Computerraum entsprach Shanes Schlafzimmer, was alle möglichen Gedanken und Erinnerungen in ihr wachrief, die im Moment wirklich nicht angebracht waren. Sie wurde rot, als sie den Kopf zur Tür hereinsteckte. Rasch sagte sie: »Dad, das Abendessen ist fertig! Hilfst du mir mit den gefüllten Paprika, bevor ich daran ersticke und sterbe?«
Ihr Vater zuckte zusammen und blickte schuldbewusst von seinem Computerbildschirm auf. Eilig klickte er das Fenster zu, das er gerade offen gehabt hatte. Claire blinzelte. Dad? Ihr Dad war... ganz normal. Langweilig normal. Kein Revoluzzer, kein Freak. Niemand, der vor seiner Tochter verstecken musste, was er am Computer machte. »Sag mir jetzt nicht, dass du auf einer Pornoseite warst«, sagte sie.
»Claire!«
»Na ja, sorry, aber du zappelst so nervös herum. Bei den meisten Leuten, die ich kenne, bedeutet das, dass sie auf Pornoseiten waren.«
Ihr Dad holte tief Luft, schloss die Augen und sagte: »Es war ein Spiel.«
Claire fühlte sich gleich etwas besser. Bis er sagte: »Es ist eines von diesen Online-Spielen für mehrere Spieler.«
»Echt? Welches? Ein Fantasy-Spiel?«
Inzwischen sah er tödlich verlegen aus. »Nein... nicht wirklich.«
»Was dann?«
Statt einer Antwort klickte er das Fenster wieder auf. Eine Nachtszene war zu sehen, ein Schloss, ein Friedhof - typisches Horrorzeug, zumindest, wenn man aus den 1950er-Jahren stammte. Eine Spielfigur erschien auf dem Bildschirm - blass, groß, mit einem Dracula-Umhang und einem Smoking.
Mit Vampirzähnen.
Claire klappte der Unterkiefer herunter und sie starrte ihren Vater, ihren normalen, langweiligen Vater, fassungslos an. »Du spielst ein Vampir spiel?«
»Es heißt Castlemoor. Ich spiele es nicht nur. Ich werde dafür bezahlt, hier zu sein und zu beobachten, was die Leute online so machen.«
»Du... wirst dafür bezahlt... einen Vampir zu spielen? Von wem?«
Ihr Vater lehnte sich in
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