Flirt mit der Unsterblichkeit
nachdenklich mit den Fingern gegen ihre Kaffeetasse. »Was ist mit Verpflegung?«, fragte sie. »Du weißt schon.«
»Ich gehe bei der Blutbank vorbei und besorge mir eine Kühlbox«, sagte er. »Für unterwegs.«
»Echt? Das machen die?«
»Du wirst überrascht sein. Wir können darin auch Cola verstauen.«
Das kam ihr nicht besonders hygienisch vor. Claire versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. »Wie lange werden wir weg sein?«
»Wenn wir heute losfahren und ich am Donnerstag tagsüber die Aufnahmen mache, könnten wir Freitagabend wieder zu Hause sein. Oder Samstag. Kommt darauf an, was ihr noch so machen wollt. Ich bin da flexibel.«
Da fiel Claire etwas ein. »Ähm... du weißt aber schon, dass wir eine Eskorte haben werden, oder?«
»Eskorte?« Michaels Miene verfinsterte sich. »Was für eine Eskorte?« Claire ahmte Vampirzähne nach. Michael verdrehte die Augen. »Na toll. Wer?«
»Keine Ahnung. In Amelies Brief stand nur, wir sollten unseren Abreisetermin mit Oliver absprechen.«
Michael sah immer noch finster aus. Er griff nach seinem Handy und wählte, während er an seinem Kaffee nippte. »Hier ist Michael«, sagte er. »Ich habe gehört, wir müssen mit dir absprechen, wann wir die Stadt verlassen wollen. Wir haben vor, heute in der Abenddämmerung aufzubrechen.«
Sein Gesicht wurde absolut ausdruckslos, während er sich anhörte, was Oliver am anderen Ende der Leitung zu sagen hatte. Michael sagte überhaupt nichts. Schließlich setzte er die Kaffeetasse ab und fragte: »Haben wir eine Wahl?« Pause.
»Wohl kaum. Wir sehen uns dann dort.«
Er beendete das Gespräch, legte das Handy vorsichtig auf den Tisch und ließ sich mit geschlossenen Augen in seinem Stuhl zurücksinken. Er sah... unbeschreiblich aus, entschied Claire. Als würden ihn so viele Dinge gleichzeitig beschäftigen, dass er gar nicht entscheiden konnte, womit er zuerst herausrücken sollte.
»Was ist?«, wollte sie schließlich wissen, obwohl sie sich fast ein wenig davor fürchtete, es zu erfahren.
Mit geschlossenen Augen antwortete Michael. »Ja, wir haben eine Eskorte.«
»Wer ist es?«
»Oliver.«
Claire setzte ihre Kaffeetasse so heftig ab, dass die braune Flüssigkeit über den Rand schwappte. »Was?«
»Ich weiß.«
»So viel zum Thema Spaß. Der ist mir jetzt wirklich vergangen.«
Er seufzte und schlug endlich die Augen auf. Sie kannte diesen Blick, von früher, als sie sich kennengelernt hatten. Bitter und wachsam. Verletzt. Gefangen. Damals war er ein Geist gewesen, der das Haus nicht verlassen konnte, gefangen in einem Zustand zwischen Mensch und Vampir. Jetzt war er ebenso gefangen, nur dass nicht das Haus, sondern die Stadtgrenze sein Gefängnis bildete. In den vergangenen Stunden hatte er gehofft, sich befreien und ein anderer werden zu können. Diese Hoffnung hatte ihm Oliver gerade genommen.
»Tut mir leid«, sagte Claire.
Michael klappte den Computer zu und stand auf. Er mied jetzt ihren Blick. »Macht euch bis sechs Uhr fertig«, sagte er. »Erzählst du es Shane? Ich sage es Eve.«
Sie nickte.
Er ging mit gesenktem Kopf zur Tür und blieb kurz stehen, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Danke«, sagte er. »Das nervt echt, weißt du?«
»Ich weiß.«
Michael lachte bitter. »Shane hätte jetzt ›Du nervst auch‹ gesagt.«
»Ich bin aber nicht Shane.«
»Ja.« Er drehte sich immer noch nicht zu ihr um. »Ich bin froh, dass du glücklich mit ihm bist. Er ist ein guter Kerl.«
»Michael...«
Er war schon weg, als sie seinen Namen sagte, nur die Tür schwang noch hin und her. Es hatte keinen Sinn, ihm nachzulaufen. Er wollte allein vor sich hin brüten.
Claire rief Shane an, um ihm zu sagen, wann sie aufbrechen würden, aber von Oliver erzählte sie ihm nicht. Er würde noch früh genug davon erfahren. Dann ging sie zur Uni. Nach ihren ersten Stunden hatte sie eine zweistündige Pause, in der sie einiges erledigen musste, damit sie die Stadt später mit reinem Gewissen verlassen konnte.
Außerdem konnte sie kaum erwarten, was nun kommen sollte. Sie hatte einen wirklich genialen Einfall gehabt. Zuerst ging sie die paar Häuserblocks vom Campus zum Common Grounds, Olivers Cafe, und bestellte dort einen Mokka. Oliver stand hinter der Bar - ein großer älterer Mann mit Hippie-Frisur, Batik-T-Shirt und kaffeebefleckter Schürze. Wenn er Kunden bediente, konnte man kaum glauben, dass er ein Vampir war, und noch dazu einer der fiesesten, die Claire je kennengelernt hatte.
Den Mokka in der
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