Flirt mit der Unsterblichkeit
spürte, wie ihr die Luft wegblieb, aber der Cop hinter dem Steuer winkte sie einfach durch und Michael drosselte nicht einmal das Tempo. Morganville, im Rückspiegel. Einfach so.
Das ging zu einfach, dachte Claire. Nach alldem, all den Kämpfen, den Schrecken, den Drohungen. Sie fuhren einfach davon.
Michael schaltete das Radio an und fand einen Rock 'n' Roll-Sender, der ein wenig rauschte. Obwohl Oliver ein finsteres Gesicht machte, drehte Michael die Musik laut auf, und bald sangen sie alle aus vollem Hals Born to Be Wild. Oliver nicht, aber er tolerierte es immerhin. Und Claire war fast sicher, dass sich seine Lippen ein- oder zweimal zum Text mitbewegten.
Der Sonnenuntergang war herrlich. Der Himmel leuchtete rot, orange und golden und wechselte dann zu Indigoblau. Claire kurbelte das Fenster herunter und atmete die kühle, frische Luft ein, die nach Blütenstaub und Salbei duftete. Morganville war von Prärie umgeben, so weit das Auge reichte. Nichts als flaches, leeres Land, zerschnitten allein von der schwarzen, zweispurigen Straße, die sich schnurgerade in die Ferne erstreckte.
»Wir müssen erst mal die Landstraße nehmen«, sagte Michael, als das Lied vorbei war und etwas gespielt wurde, was weniger karaoketauglich war. »In etwa zwei Stunden oder so sind wir dann auf der Interstate.«
»Bist du sicher, dass du weißt, wohin du fährst?«, fragte Shane? »Ich will nämlich nicht im Golf von Mexiko oder so landen.«
Michael ignorierte ihn und Claire sank in ihrem Sitz nach hinten. Sie fühlte sich unglaublich leicht und entspannt, denn sie waren weg. Sie hatten Morganville tatsächlich verlassen. Shane wirkte ähnlich fasziniert und erleichtert, ebenso Eve, deren dunkle Augen vor Aufregung leuchteten. Davon hat Eve ihr ganzes Leben geträumt, wurde Claire klar. Vielleicht nicht davon, mit Oliver in einem Auto festzusitzen, oder davon, dass Michael ein Vampir war. Aber zusammen mit Michael die Stadt zu verlassen, hatte schon immer zu Eves Top-Ten-Fantasien gehört. Und nun hatte sich diese Fantasie erfüllt, wenn auch ganz anders, als sie es sich je vorgestellt hätte.
»Wir sind raus«, sagte Eve, eher zu sich selbst als zu den anderen. »Wir sind raus. Wir sind raus. Wir sind raus.«
»Wir werden zurückkehren«, sagte Oliver und drehte sich um, um aus dem Seitenfenster zu starren. »Bald werdet ihr alle zurückkehren.«
»Du bist ja ein richtiger Sonnenschein«, sagte Shane. »Wir sollten uns jetzt mal darüber unterhalten, was wir in Dallas so vorhaben.«
»Alles!«, sagte Eve sofort. »Alles, alles, alles. Und dann alles andere.«
»Wow, jetzt mach mal langsam, Mädchen. Wir haben alles in allem - was? - vielleicht hundert Kröten bei uns? Ich bin mir sicher, dass das All-inclusive-Paket mehr kostet.«
»Oh.« Eve sah so überrascht aus, als hätte sie sich über Geld noch gar keine Gedanken gemacht. Wie sie Eve kannten, hatte sie das wirklich nicht. »Na ja, wir müssen zumindest in ein paar Clubs gehen, oder? Und shoppen? Oh, und bestimmt gibt es dort ein paar echt gute Kinos.«
»Kinos?«, wiederholte Michael und schaute in den Rückspiegel. »Im Ernst? Eve!«
»Was? Digitales Kino, Michael. Mit 3-D und allem Drum und Dran.«
»Da kommst du ein Mal raus aus Morganville und willst deine Zeit im Kino verplempern?«
»Nein, na ja, ich... 3-D! Okay, okay, schon gut. Museen. Konzerte. Kultur. Besser?«
Shane schüttelte nur den Kopf. »Eigentlich nicht. Wo bleibt der Spaß, Eve?«
»Das macht Spaß!«
Oliver seufzte und ließ seinen Kopf gegen die Fensterscheibe rumsen. »Einer von euch geht gleich zu Fuß nach Dallas, wenn ihr jetzt nicht sofort die Klappe haltet.«
»Wow. Wer ist denn da heute Abend mit dem falschen Fuß aus dem Sarg gestiegen?«, schoss Eve zurück. »Anscheinend bist du der Experte. Wo würdest du hingehen?«
Oliver drehte sich zu ihr um. »Wie bitte?«
»Ich frage dich nach deiner Meinung. Du weißt doch wahrscheinlich, wo man am besten hingeht.«
»Ich...« Oliver schienen die Worte zu fehlen, was ziemlich witzig war. Claire fragte sich, wann ihm das wohl zum letzten Mal passiert war. In den letzten paar Jahrhunderten vermutlich nicht, dachte sie. »Du fragst mich also tatsächlich nach meinen Empfehlungen, was man in Dallas unternehmen kann.«
»Yep.«
Einen Moment lang starrte er Eve eisig an, dann drehte er sich wieder um und blickte nach vorne. »Ich bezweifle, dass wir auch nur annähernd denselben Geschmack haben. Für Bars seid ihr zu jung und für
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