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Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Waldläufer unterdrücken Schmerzen und Krankheit; sie lassen nicht zu, dass ihnen etwas so Kleinliches wie eine körperliche Schwäche in die Quere kommt, also schleppte ich mich aus dem Bett, erledigte meine morgendlichen Arbeiten und kam gerade rechtzeitig vor der ersten Glocke in der Schule an.
    Aber der Tag war eine einzige Verschwendung. Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Dank meines vernebelten Gehirns hatte ich die Vokabelliste für Literatur in meinem Zimmer vergessen und bekam ein X auf meine Hausaufgaben, was bedeutete, dass mir – obwohl ich eine +10 auf den Vokabeltest erhalten hatte – ein Viertel meiner Note flöten ging. In der Skripturstunde kippte ich das Tintenfass um und überflutete einen ganzen Stapel Einladungskarten zu meiner Catorcena-Feier – fünfundzwanzig Stück,
die ich noch einmal schreiben musste. Und nach endlosen Fingerstichen, zerrissenen Fäden und viel Gefluche im Nähunterricht entdeckte ich, dass ich den linken Ärmel meines Catorcena-Kleids mit der Unterseite nach oben angenäht hatte.
    Jedes Mal, wenn ich in der Halle an Erzengel Bob vorbeikam, beäugte er mich, als ahnte er, dass es mir nicht gut ging, und überlegte, ob er mich in die Krankenstation schicken sollte. Aber meine Mutter kam am Montag zurück und ich hatte viel zu viel zu tun, um mich in der Krankenstation auszuruhen, und überhaupt: Dort wollte ich ganz gewiss nicht mein Wochenende verbringen, übel schmeckende Medizin schlucken und nichts außer Haferbrei mit Dinkelspreu zu essen bekommen. Wenn man schon im Bett sterben muss, sollte es wenigstens das eigene Bett sein. Nini Mo hat das nicht gesagt, aber ich wette, sie würde mir zustimmen. Natürlich war sie nicht im Bett gestorben, aber hier geht es ums Prinzip.
    Es kam mir so vor, als ob dieser Tag nie vorbeigehen würde, aber endlich war es so weit. Und bevor sich der Erzengel besinnen und mich in ein Krankenbett packen konnte, machte ich mich auf den Heimweg. Zu Hause trieb ich die Hunde in den Garten, hing die Wäsche auf die Leine und mistete den Pferdestall aus. Die Hunde kamen wieder herein und ich bugsierte sie ins Wohnzimmer. Ich ließ die Terrassentür offen, damit sie nach Belieben ins Freie konnten. Völlig erledigt schleppte ich mich die Millionen von Stufen zu meinem Zimmer empor, wo ich aufs Sofa plumpste und sofort in einen schniefenden Schlaf fiel.

    Die Zeit verschwamm zu einem heißen Nebel aus Erwachen, tapp, tapp, tapp zur Toilette, tapp, tapp, tapp zurück zum Sofa und Einschlafen. Aufwachen, tapp, tapp, tapp hinunter, um die Hunde zu füttern, tapp, tapp, tapp zurück zum Sofa und Einschlafen. Manchmal war es Tag, wenn ich erwachte, manchmal Nacht. Und jedes Mal zitterte ich vor Kälte, fühlte mich schwach und elend.
    Endlich ging es mir ein bisschen besser. Ich zitterte nicht mehr ganz so stark, aber mir war immer noch schrecklich kalt. Und ich hatte Hunger. Ich hatte nicht die Kraft, aufzustehen, eine Lampe anzuzünden, nach den Hunden zu sehen und mir etwas zu essen zu kochen. Ich hatte nicht die Kraft, überhaupt irgendetwas zu tun. Ich lag auf dem Sofa und starrte unglücklich in die Dunkelheit.
    Dann erinnerte ich mich an Valefor.
    »Valefor«, krächzte ich.
    Eine dünne, wabernde Wolke bildete sich am Fußende des Sofas. Ich konnte kaum Valefors schmales Gesicht erkennen. Die Wolke senkte sich auf mich nieder und ich erschauerte angesichts der Kühle. Ich hob die Handflächen empor und er legte seine nebligen Hände gegen sie. Sofort war er deutlicher sichtbar. Er beugte sich über mich und ich schenkte ihm einen tiefen Atemzug, fühlte, wie er fester wurde und den Schmerz aus mir heraussaugte. Ein paar Sekunden lang fühlte sich mein Inneres luftig an, als ob meine Haut mit nichts weiter als mit einem kitzelnden purpurnen Licht gefüllt wäre.
    Als Valefor aufrecht stand, sah er so gut aus wie nie zuvor. Er war kein Kümmerling mehr. Wären da
nicht die violetten Haare und die purpurroten Augen gewesen, hätte er ein ganz normaler Junge sein können. Er war nicht ausgesprochen hübsch, aber er funkelte.
    Valefor grinste mich an und wedelte mit den Armen. »Danke, Flora Segunda. Ich fühle mich schon viel besser. Du schmeckst im Augenblick nicht besonders gut, aber es ist völlig ausreichend.«
    Ich ließ mich wieder auf das Kissen zurückfallen, mit einem Gefühl, als hätte ich kleine Feuerfunken eingeatmet. Ich fühlte mich wieder lebendig, wenn auch ein wenig atemlos. »Gern geschehen.«
    Mit einem leisen Zischen

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