Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flora Segundas magische Missgeschicke

Flora Segundas magische Missgeschicke

Titel: Flora Segundas magische Missgeschicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
Vom Netzwerk:
Ordnung?«
    »Mir geht es gut – was ist mit den Pferden? Und wo warst du?« Ich befreite mich aus Udos warmer Umarmung und blinzelte zu ihm empor. Das vorspringende Kinn und die mit schwarzem Eyeliner nachgezogenen Augen waren mir vertraut. Udos
Täuschungszauber hatte sich abgenutzt. Es tat gut, wieder sein Gesicht zu sehen.
    »Den Pferden geht’s gut. Schweinebacke, Flora, bist du sicher, dass alles mit dir in Ordnung ist? Hast du diese Kerle gesehen? Wo sind sie hin?«
    »Bei mir ist alles klar«, versicherte ich ihm. »Aber diese Kerle, Udo, auch sie wollen Boy Hansgen retten. Sie sind von …«
    »Schweinebacke und Schandmaul, Flora, runter mit dir!« Udo versetzte mir einen festen Stoß und da lag ich wieder – mit dem Bauch im Sand. Die Pferde machten einen Satz und jagten davon. Dann warf sich auch Udo zu Boden, besser gesagt halb auf mich. Ein bittergrelles grünes Licht jagte an uns vorbei und verfehlte unsere Köpfe nur um Haaresbreite. Es war so rasend schnell wie eine Rakete, wie eine abgefeuerte Gewehrkugel, wie ein Komet. Dann wurde es kleiner und kleiner, bis es mit einem Aufblitzen verschwand. Der Sand wölbte sich nach oben und nach unten, wankte und schwankte wie das Deck eines Schiffs. Eine Sekunde lang schien sich die ganze Welt ein Stück zu heben und in der Luft zu schweben. Dann knallte sie mit einem knochenerschütternden Aufprall wieder nach unten. Ich hatte das Gefühl, als ob jedes meiner Organe herausgezerrt, püriert und wieder in meinen Körper gegossen worden wäre.
    »Was war denn das?«, stöhnte Udo.
    »Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, es hatte etwas mit der Strömung zu tun. Komm mit.«
    »Die Pferde – sie sind weggelaufen.«
    »Lass sie; sie können auf sich selbst aufpassen, vermutlich besser als wir. Komm mit.«

    Als ich aufstehen wollte, gaben meine Füße unter mir nach, daher krabbelte ich auf allen vieren die Sanddüne empor. Ich schürfte mir die Hände am harten Sand auf, die Körner kratzten mir zwischen den Zähnen und in den Augen. Wieder begann ich, nach unten zu rutschen, aber dann spürte ich Udo hinter mir, der mich weiterschob. Auf dem Dünengrat hielt ich inne, krümmte mich zusammen, um wieder zu Atem zu kommen, und schmeckte Eisen auf meiner Zunge. Ich konnte nicht einmal ausspucken, weil sich mein Speichel in zähflüssigen Schleim verwandelt hatte. Der Ozean vor mir war ein wogender Spiegel, so schimmernd und beweglich wie Quecksilber, und oben auf der Steilküste leuchtete blau Bilskinir House, wie ein bösartiger Morgenstern.
    In der Ferne sah ich eine Gestalt über den dunklen Sandstreifen rennen, verfolgt von vier Anahuatl. Udo, der sich neben mich kauerte, hatte sein Fernglas hervorgeholt. »Es ist Boy Hansgen; er rennt wie der Teufel, aber sie holen auf. Selbst wenn wir die Pferde hätten, kämen wir nicht mehr rechtzeitig«, informierte er mich.
    »Gib mir das Fernglas«, verlangte ich und zerrte am Riemen.
    »Schließ deine Augen«, zischte mir da Feueraffe ins Ohr. Ich erstarrte. Ich hatte ihn nicht kommen hören.
    »Warum?«
    »Schau über die wirkliche Welt hinaus.«
    Ich machte die Augen zu und plötzlich war die stahlgraue Nacht grün erleuchtet. Jetzt konnte ich
alle Einzelheiten der wilden Jagd über den Strand deutlich erkennen. Ich sah – keinen Mann, der von Pferden verfolgt wurde, sondern einen Kojoten, schlank und geschmeidig, der am Strand um sein Leben rannte. Ihm dicht auf den Fersen waren vier Adler.
    In Feueraffes Stimme lag Verzweiflung, als er sagte: »Er hat keine Chance.«
    »Können wir denn gar nichts tun?« Udos freie Hand schlüpfte in meine und ich drückte sie fest.
    »Nein – sie sind zu mächtig«, antwortete Feueraffe. »Sie haben bereits meine Kameraden getötet. Verdammt sollen sie sein, diese blutrünstigen Biester!«
    Der Kojote rannte. Sein Rücken streckte sich und seine Schnauze deutete voraus wie eine Pfeilspitze, aber die Adler hinter ihm flogen heran wie Gewehrkugeln. Er würde ihnen nicht entkommen. Ein Adler erhob sich in die Luft und stieß dann wieder hinab, zielte mit ausgestreckten Krallen auf den Rücken des Kojoten. Der Kojote kam ins Stolpern, fiel in einem Gewirr aus Beinen nieder und rappelte sich wieder auf die Pfoten. Aber ein anderer Adler warf ihn wieder zu Boden. Die anderen bildeten einen Kreis, stießen vor und pickten, zerrten mit ihren scharfen Schnäbeln. Der Kojote flüchtete sich platschend ins Wasser, aber die Adler trieben ihn wieder an Land, scheuchten ihn vor sich her

Weitere Kostenlose Bücher