Florentinerpakt
sie damit nur ärgern, aber sicher
nicht dazu bewegen, mich zu kontrollieren. Sie hat ja auch nur mit einem
höhnischen Lachen darauf reagiert und gemeint: ›Das hättest du wohl gerne, du
Schlappschwanz.‹ Wenn sie das mit den Frauen wirklich ernst genommen hätte und
deswegen in dieser Nacht zurückgekommen ist, würde ich mir das nie verzeihen.«
Er versuchte ernsthaft, irgendwie Tränen zu produzieren.
Brandtner ließ sich davon aber nicht besonders beeindrucken.
Stattdessen wollte er doch tatsächlich noch wissen, wo sich Garber gestern
zwischen 14 und 15.30 Uhr aufgehalten hatte. Der Banker überlegte kurz.
»Ich habe mit einem Kunden zu Mittag gegessen und bin dann gegen
13.30 Uhr zu einem privaten Termin nach Tulln gefahren. Da sollte ich um
14.15 Uhr einen Makler bei einem Grundstück etwas außerhalb der Stadt
treffen.«
Der Banker hatte dann etwa eine halbe Stunde gewartet, der
Mitarbeiter der Immobilienfirma war aber nicht gekommen. »So bin ich dann
wieder nach Wien zurückgefahren und war kurz nach 15.15 Uhr wieder in der
Bank.«
»Das ist auch nicht gerade der Prototyp eines überzeugenden
Alibis«, scherzte Brandtner, »aber wir werden es überprüfen. Wenn Sie mir bitte
den Namen des Maklers verraten. Und hat Sie jemand bei dem Grundstück oder
sonst wo unterwegs gesehen?«
Die Türe öffnete sich,
und Inspektor Musch in Begleitung eines uniformierten Beamten betrat den Raum.
»Das ist ein tolles Timing«, meinte Brandtner, »ich bin eben
fertig geworden. Übrigens, Sie müssen sich zu unserer Verfügung halten, Herr
Garber. Und jede Änderung Ihres momentanen Aufenthaltsortes mir oder dem Wiener
Kollegen melden. Wir beide«, er nickte Musch zu, »sind übrigens
übereingekommen, Ihnen einen Bewacher zu spendieren. Der Kollege«, er deutete
auf den Uniformierten, »wird vor Ihrer Zimmertüre stehen und niemanden
reinlassen, der nichts bei Ihnen verloren hat. Und natürlich auch niemanden
heraus, an dem uns liegt.« Er grinste boshaft, wirkte dabei aber immer noch
irgendwie sympathisch. »Wir sehen uns später«, meinte er, dann verließ er den
Raum.
Im Gang erkundigte sich der Major bei der Oberschwester, ob
Garber bereits Blut abgenommen und dieses analysiert worden war. Befriedigt
nahm er zur Kenntnis, dass das bereits geschehen war.
Der nach dem Banküberfall entkommene
Weihnachtsmann hatte sich in einem Hauseingang in der Friedlgasse seines
Kostümes entledigt und war dann die Grinzinger Allee stadtauswärts marschiert.
Ganz gemütlich, kein Mensch hatte bisher Interesse an seiner Person gezeigt.
Jetzt saß er im legendären ›38-er Espresso‹ an der Ecke zur
Daringergasse und schaufelte bereits den zweiten Apfelstrudel in sich hinein.
Die Vorfälle in der Bank und die darauffolgende Flucht hatten ihn hungrig
gemacht.
Der Überfall selbst war ja ganz schön in die Hose gegangen.
Das eigentliche Ziel war weit verfehlt worden. Und Geld zum Trost hatte es auch
keines gegeben. Na ja, seine eigene Schuld. Was konnte man von einem dummen
Menschen wie dem Bergauer Hansi schon erwarten?
Außer Spesen nichts gewesen. Das hatte er davon, dass er
einmal schwach geworden war und sich auf einen Deal mit diesem Menschen
eingelassen hatte.
»Tho ein Loother«, murmelte der Mann, und nochmals wie zur
Bekräftigung: »Loother, thaublöder.«
Dann bestellte er sich einen Großen Braunen und …, was
ging jetzt noch hinein, … ja, ein Nusskipferl.
4
Ehe Dr.
Rossbach mit der Geschichte der ›Siebener-Tontine‹ begonnen hatte, hatte er
sich noch ein ›Englisches Frühstück‹ bestellt, aber mit Speck und Tee. »Ich
habe plötzlich einen Mordshunger«, gestand er ein, »und seit vorgestern Mittag
nicht mehr richtig gegessen.«
»Na, dann nur zu.« Palinski freute sich über den
wiedergewonnenen Appetit seines Gegenübers und nahm ihn als gutes Zeichen. Axel
sah jetzt auch schon wieder besser aus. Viel besser sogar.
Nach den ersten paar Bissen von einem reschen Buttersemmerl
war der Zahnarzt so weit.
»Zunächst einmal einige Worte zur ›Tontine‹. Das ist ein
Vertrag zwischen mehreren Personen, die bestimmte einmalige oder wiederkehrende
Leistungen erbringen, die in der Regel aus Geld bestehen«, erläuterte er.
»Sobald alle anderen tot sind, gehört der gesamte Betrag samt Zinsen dem
Überlebenden. Besser weiß ich es auch nicht. Aber das ist sinngemäß das Wesen
einer Tontine und reicht auch fürs Verständnis des
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