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Florentinerpakt

Florentinerpakt

Titel: Florentinerpakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner Verlag
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ins Freie. So schnell, wie es ihm mit seiner doch recht respektablen
Wampe möglich war.

     
    *

     
    Auf dem Weg in den zweiten Stock gingen Dr.
Rossbach die unterschiedlichsten Dinge durch den Kopf. Was denn bloß die Ärztekammer
von ihm wollte, ob er Bärbel neben dem üblichen Weihnachtsgeschenk nicht doch
auch noch eine Prämie für ihren außerordentlichen Einsatz zahlen sollte? Vor
allem aber nahm er sich vor, diese Gelegenheit wahrzunehmen, wieder einmal
ungestört mit seiner Frau zu sprechen. Seine Familie fehlte ihm schon ziemlich.
    Was ihm in dieser Situation allerdings völlig abging, war
das, was man allgemein als ›Instinkt‹ bezeichnete. Jenes Gefühl, das eine
drohende Gefahr ankündigt, ohne dass diese bereits objektiv wahrnehmbar war.
Wie zum Beispiel im Dunkeln den Kopf einzuziehen, ehe man damit gegen den zu
niedrigen Türstock rannte. Nein, dieses mitunter existenzielle Sensorium war
Rossbach abhandengekommen, zumindest für heute.
    Deswegen betrat er die Ordination auch völlig arglos und
wurde erst aus seinem Sinnieren gerissen, als ihm plötzlich ein spitzer
Gegenstand an den Hals gedrückt wurde und eine Stimme flüsterte: »Keine falsche
Bewegung oder Thie thterben …«
    Schlagartig bekam der Zahnarzt ernsthafte Probleme mit den
Schließmuskeln an beiden Pforten. Irgendwie schaffte es sein Stolz aber noch,
dem ›Lispler‹ nicht die Genugtuung zu verschaffen, sich vor ihm anzumachen.
Diese Sau war für den Tod Jakob Fahlbichlers verantwortlich und hatte mit ihm
sicher auch nicht viel anderes im Sinn.
    »Wenn es Ihnen um Geld geht, dann gehen Sie mit mir zur
Bank.« Rossbach versuchte, auf Zeit zu spielen. »Ich habe mindestens 62.000
Euro auf dem Konto, die ich Ihnen geben kann. Wenn Sie mir bis nach den
Feiertagen Zeit geben, kann ich auch noch mehr beschaffen.«
    »Ich will kein Geld«, erklärte Winnie, »aber Thie behindern
meine Pläne.« Es wäre nichts Persönliches, meinte der irre Killer noch, aber
Rossbach müsste einfach aus dem Weg. Dann bewegte er den Arm, in dessen Hand er
das Messer hielt, kurz hin und her. »Tatjana, wo bleibtht du mit der
Injekthion? Mir schläft schon der Arm ein.«
    »Ich komme sofort, Winnie«, brüllte Tatjana. »Ich fürchte
nur, die Spritze müssen wir vergessen.«
    »Ja, warum denn?«, schrie Winnie zurück. »Itht thie etwa
kaputt?«
    Wie sich aber herausstellte, hatte die Gute ihre medizinische
Ausrüstung heute lediglich zu Hause vergessen. Wo immer das auch war. »Aber die
Substanz habe ich mit«, fügte die Frau entschuldigend hinzu.
    »Wenn es nur um die Spritze geht«, meinte Rossbach äußerlich
forsch, »davon haben wir jede Menge hier. Wenn Sie wollen …«
    »Wo?«, wollte Winnie
wissen, »und machen Thie keine falsche Bewegung. Thontht bleibt die Injekthion
einfach weg, und Ihr Tod wird umtho schmerthhafter.«
    »Nein«, widersprach da Tatjana, »das tun wir nicht. Du weißt,
was wir ausgemacht haben. Keine Schusswaffen in meiner Gegenwart, und den
Todeskandidaten wird das Sterben so leicht wie möglich gemacht. Sonst kannst du
mich vergessen, du Sadist.«
    Unter anderen Umständen hätte Axel Rossbach diesen absurden,
wie aus einem Stück von Genet oder Ionesco klingenden Dialog genossen und
herzhaft darüber gelacht. So aber musste er sich zwischen blankem Entsetzen und
wildem Aufbegehren gegen ein scheinbar schon beschlossenes Schicksal
entscheiden.
    Diese Entscheidung wurde maßgeblich durch ein leises Knarren
beeinflusst, das er eben vernahm und das mit Sicherheit von dem losen Stück
Parkett im Eingangsbereich stammte. Er hatte Bärbel und auch Dr. Wechslers
Ordinationshilfe schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht, die Reparatur des
Schadens in Auftrag zu geben. Jetzt war er aber heilfroh darüber, dass man sich
so konsequent über seine Anordnungen hinweggesetzt hatte. Denn der kleine Knarrer
klang in seinen Ohren wie das Angriffssignal der Kavallerie, die endlich zur
Rettung der Siedler vor den ›bösen Rothäuten‹ eingetroffen war.
    Was jetzt angesagt war, war in jedem Fall Ablenkung, damit
sich die Retter in eine möglichst gute Position bringen konnten.
    »Die frischen Spritzen sind da drinnen«, er deutete auf die
Türe des verschlossenen Röntgenraumes. »Ich hole jetzt den Schlüsselbund aus
der Hosentasche und gebe ihn an Sie weiter. Ist das o.   k?«
    Während Winnie noch überlegte, stimmte Tatjana bereits zu und
näherte sich Rossbach.
    »Gut«, brummte

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