Florian der Geisterseher
blasen oder Blümchen pflücken.“
„Gut“, sagte sie. „Etwas, das hier möglich ist, ohne daß einer von uns aufstehen muß.“
„Genau. Aber nicht zu kurz! Also dann: Los!“
Im Schneidersitz hockten sie nebeneinander, schlossen die Augen und konzentrierten sich. Anfangs ging alles schief. Statt sich zu entspannen, bekam Florian Herzklopfen, und auch Agathe, so glaubte er zu hören, atmete schneller. Dann sagte er seinen Wunsch tonlos so schnell hintereinander herunter, daß keine andere Wahrnehmung dazwischen mehr Platz hatte. Als das nicht half, erinnerte er sich an Tante Theklas Worte, nichts zu erzwingen und sagte eine Weile stur vor sich hin: Ich will es gar nicht, aber es wäre schön, wenn sie’s täte! Ein kurzes Blinzeln zu Agathe: Sie saß da wie zu Anfang.
Florian schaltete seine Einstellung noch einmal um und sagte sich, in einer gleichsam schwebenden Haltung, so wie im Traum: Sie tut es! Sie tut es!
Wieder blinzelte er. Wieder war es nichts. Nun schaltete er auf Empfang, das heißt, er versuchte die Schwingungen ihres Wunsches aufzufangen. Das ging besser. Jetzt fühlte er einen Sog zu ihr hin, als solle er näher rücken. Doch nach seiner Erfahrung an Tante Theklas Tür mißtraute er dem Gefühl.
Klar kommt was von ihr, sagte er sich. Ich soll ja was tun. Aber was?
Agathe atmete hörbar aus. „ Flori , ich kann nicht mehr. Ich hab mich so bemüht, aber ich bin wohl medial unbegabt.“
„War ja auch das erste Mal“, beschwichtigte er sie. „Meine Tante sagt, man soll nicht auf Erfolg warten.“
„Dann hab ich sowieso alles falsch gemacht“, erklärte Agathe. „Was hast du denn gewollt?“
„Daß du dich zurücklegst“, sagte er.
Sie lachte. „Mal war ich so müde im Kreuz, daß ich’s fast getan hätte. Aber ich dachte, ich muß stillsitzen und mich konzentrieren. Dabei wäre ich im Liegen wahrscheinlich entspannter gewesen. Ich wollte, du solltest deine Hand auf mein Knie legen.“
„Wirklich? Ich hab ganz deutlich gespürt, daß ich näher kommen soll. Hab aber dann gedacht, ich irre mich.“
„Toll!“ Agathe legte sich zurück. „Wir waren beide auf dem richtigen Weg. Dann haben wir angefangen zu denken, und schon war alles zerstört.“
„Gleich noch mal!“ sagte Florian. „Aber nicht austauschen! Nicht, daß du jetzt willst, ich soll mich zurücklegen...“
„Leg dich halt gleich. Vielleicht geht’s dann leichter“, schlug Agathe vor.
„Mensch! Gar kein Vergleich!“ jubelte er, als er neben ihr lag. Ihre Hände berührten einander.
„Du, das wär nicht schlecht“, kombinierte er sofort.
„Was?“
„Wenn wir uns berühren. Dann ist es... nicht so drahtlos.“
„Probieren wir’s.“ Sie hakte ihre Finger zwischen die seinen. „Also los!“
Gleichsam auf Startschuß schloß Florian die Augen.
Was könnte ich denn nur wollen? überlegte er. Doch ihm fiel nichts ein. Von ihrer Hand ging eine Strahlung aus, die ihn hinderte. Nicht, daß sie ihm unangenehm gewesen wäre. Im Gegenteil. Agathe war ihm vertraut. Mit ihr konnte er dieses Spiel machen. „So geht’s nicht“, sagte er und setzte sich auf. „Berühren ist zu direkt. Wir müssen senden.“
„Du hast recht.“ Auch sie setzte sich auf. „Ich hab mir krampfhaft überlegt, was ich wollen könnte, daß du sollst...“
„Genau wie ich!“ bestätigte er. „Das ist der Beweis.“
Agathe stand auf. „Gehen wir noch mal ins Wasser.“
Stumm schwammen sie nebeneinander her und waren auch auf dem Rückweg und für den Rest des Tages nicht sehr gesprächig. Die Beschäftigung mit dem Okkulten stimmt versonnen. Man will dann nichts anderes hören.
Zusammen mit einem wieder geschäftsfähigen August aß Florian in der Küche zu Abend. Tante Thekla hatte Gäste, und er sah sie nur kurz, um ihr gute Nacht zu sagen. Frühzeitig ging er hinauf in sein Zimmer, legte sich aufs Bett, ließ den Kassettenrecorder laufen und hing den Eindrücken des Tages nach. Jetzt sollte Agathe kommen! Damit wir noch ein bißchen reden! dachte er.
Da ging die Tür auf. „Kannst du auch nicht schlafen?“ fragte sie. „Kaum bin ich allein, fang ich wieder an rumzuprobieren. Vielleicht sind wir doch medial begabt?“
„Du bist gekommen!“ rief Florian. „Jetzt hat’s geklappt!“ Nach diesem schönen Abschluß des ereignisreichen Tages wurde er endlich müde.
„Danke dir, daß du so gähnst!“ gähnte Agathe. Sie brachte den Satz kaum heraus. „Ich glaub, jetzt kann ich... auch... schla ...
Weitere Kostenlose Bücher