Flossen weg
bin ich nicht mal mehr zum Boot gegangen. Ich bin rauf zur Ananasplantage gewandert, und die haben mir geholfen. Sie haben mich mit einem ihrer großen Frachter rüber nach Lahaina gebracht. Seitdem war ich nicht mehr auf dem Wasser. Ich begebe mich nur noch in Ufernähe, wenn in der Schutzstation was los ist und viele Leute da sind.«
Clay dachte an den japanischen Soldaten, den man auf einer Pazifikinsel gefunden hatte und der sich dort noch zwanzig Jahre nach Kriegsende vor den Amerikanern versteckte. Elizabeth Robinson hatte sich offenbar vor etwas versteckt, was gar nicht nach ihr suchte. »Hast du jemandem davon erzählt? Die Navy hätte doch sicher gern gewusst, was einem ihrer besten Sonar-Männer passiert war.«
»Die haben gefragt. Ich habe es ihnen gesagt. Sie haben nur abgewunken. Sie haben gesagt, James sei in der Nacht schwimmen gegangen und ertrunken. Und ich selbst sei nicht nüchtern gewesen. Sie haben ein paar Leute da rübergeschickt, die Polizei von Maui auch. Sie haben das Boot gefunden, das immer noch am Strand lag, fahrbereit. Sie haben unser Lager gefunden, und sie haben eine Flasche Rum gefunden. Das war’s dann.«
»Wieso hast du mir nie davon erzählt? Oder Nate?«
»Ich wollte, dass ihr eure Arbeit weitermacht. Inzwischen habe ich Beobachtungen angestellt. Weißt du, ich habe auch sämtliche wissenschaftlichen Zeitschriften gelesen. Ich suche nach allem, was dem Ganzen Sinn verleihen könnte. Kommt mit.«
Sie stand auf und ging ins Haus. Clay und Kona folgten ihr wortlos. Im Schlafzimmer öffnete sie eine Truhe aus Zedernholz und holte ein großes Notizbuch hervor. Sie legte es aufs Bett und klappte die letzte Seite auf. Es war Nates Nachruf.
»Nathan war einer der Besten auf seinem Gebiet, und diese junge Frau hat gesagt, ein Wal hätte ihn gefressen. Danach ist sie selbst verschwunden.« Sie blätterte eine Seite zurück. »Vor zwölf Jahren ist dieser Dr. Ryder auf See verschollen, während er gerade die Laute der Wale studierte, wenn auch bei Blauwalen.« Sie blätterte noch eine Seite zurück. »Dieser Bursche hier, ein russischer Sonar-Experte, der sich nach England abgesetzt hatte, verschwand 1973 vor Cornwall. Es hieß, es sei der KGB gewesen.«
»Na, vermutlich war es wirklich der KGB. Tut mir Leid, Elizabeth, aber für jeden dieser Vorfälle scheint es eine ganz normale Erklärung zu geben, und das alles ist über einen so langen Zeitraum an verschiedenen Orten geschehen. Ich sehe nicht, wo da die Verbindung sein soll.«
»Die Laute unter Wasser, Clay. Und das Ganze ist nicht normal. Diese Männer – einschließlich James – waren allesamt Experten darin, dem Meer zu lauschen.«
»Selbst wenn … willst du mir sagen, jemand hätte Wale abgerichtet? Fremde Wesen hätten Sonar-Leute entführt und sie Walen in den Arsch geschoben?«
»Sei nicht ordinär, Clay. Du bist zu mir gekommen, weil du Hilfe brauchst. Ich versuche, dir zu helfen. Ich weiß nicht, wer sie sind, aber wenn du mir erzählst, dass im Gesang der Wale Botschaften verborgen sind, bestätigt das nur, dass Nate und James und all die anderen Leute entführt wurden. Mehr kann ich gar nicht sagen. Ich bin mir sicher, dass Nate noch lebt.«
Clay setzte sich aufs Bett und nahm das Notizbuch. Darin waren weitere Artikel aus wissenschaftlichen Zeitschriften über Cetologie, über Unterwasser-Akustik, Berichte über Strandungen von Walen – bei einigen war keinerlei Zusammenhang zu erkennen. Es war die Fährtensammlung von jemandem, der nicht wusste, wonach er suchte. Clay hielt sie nun schon so lange für verrückt, dass er nie gedacht hätte, sie könne wirklich etwas wissen. Ihm wurde bewusst, was sie angetrieben hatte. Er fühlte sich wie ein Schwein.
»Elizabeth, was hat es mit diesem Sandwich auf sich? Was ist mit den Kristallen und damit, dass die Wale mit dir sprechen? Ich begreife es nicht.«
»Ich habe diesen Anruf wirklich bekommen, Clay. Und was das andere betrifft, habe ich Träume, in denen die Wale zu mir sprechen, und ich höre auf sie. Nach fünfzig Jahren der Suche nehme ich alles an Hinweisen, was ich kriegen kann. Angesichts dessen, wonach ich suche, dachte ich, Magie und Traumdeutung könnten dabei so hilfreich sein wie jede andere Methode.«
»Siehst du«, sagte Kona. »Sag ich doch. Wissenschaft, die man nicht kennt? Magie.«
»Es kann sein, dass ich etwas sorglos mit meinem Vertrauen um mich geworfen habe. Ich hoffe nur, ich habe nichts Schlimmes angestellt.«
»Neeeiin, Tantchen,
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