Flossen weg
Walgesang und Paarungsaktivität besteht. Vielen Dank. Sollten Sie Fragen haben …«
Hände zuckten in die Luft. Jetzt ging es los: die Kristallkugelgucker, die Wal-Umarmer, die Hippies, die Jäger, die Touristen, die Förderer, die Spinner, die Forscher (Gott steh uns bei, die Forscher) und Leute, die einfach nur neugierig waren. Nate hatte nichts gegen Neugierige. Sie waren die Einzigen, die nichts im Schilde führten. Alle anderen suchten nur Bestätigung, keine Antworten. Sollte er zuerst auf die Forscher eingehen? Damit er sie hinter sich hatte? War vielleicht keine schlechte Idee.
»Ja, Gilbert.« Er deutete auf den Grafen. Der lange Wissenschaftler hatte seine Sonnenbrille abgenommen, die Krempe an seinem Hut jedoch weit heruntergezogen, als müsste er die glühend roten Kohlen seiner Augen verbergen. Oder vielleicht bildete sich Nate das auch nur ein.
Graf Zahl sagte: »Man kann also bei so wenigen Beispielen – Sie sprachen von fünfmaligem Vorkommen einer Interaktion zwischen Sängern und anderen – nicht ernstlich eine Schlussfolgerung hinsichtlich des Zusammenhangs mit der Fortpflanzung oder der Widerstandsfähigkeit einer Population ziehen? Richtig?«
Nate seufzte. Pissnelke, dachte er. Er wandte sich den fremden Gesichtern im Publikum zu, den Nichtprofis. »Wie Sie wissen, Dr. Box, sind Beispiele für das Verhalten von Walen gewöhnlich rar gesät. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir aus den Daten über Wale mehr herauslesen müssen als bei anderen Tieren, die leichter zu beobachten sind. Wenige Beispiele sind auf diesem Forschungsgebiet ein akzeptiertes Handikap.«
»Damit wollen Sie also sagen«, fuhr Box fort, »dass Sie versuchen, das Verhalten eines Tieres, das kaum drei Prozent seiner Zeit an der Oberfläche verbringt, nach seinem Verhalten an eben jener Oberfläche zu beurteilen. Wäre das nicht ungefähr so, als wollte man die menschliche Zivilisation extrapolieren, indem man sich am Strand unter Wasser die Beine von Menschen ansieht? Ich sehe nicht, wie das möglich sein sollte.«
Nate sah sich im Saal um, in der Hoffnung, dass einer der anderen Verhaltensforscher einspringen, ihm helfen, ihm einen Ball zuspielen würde, aber offenbar waren die Anschläge am Schwarzen Brett, die Deckenventilatoren und die Planken am Boden von unwiderstehlichem Interesse.
»In letzter Zeit beobachten wir die Tiere immer öfter auch im Wasser. Clay Demodocus besitzt mittlerweile über sechshundert Stunden Videoaufnahmen über das Verhalten der Buckelwale unter Wasser. Aber erst in jüngster Zeit wurde die Unterwasserbeobachtung durch Digitalkameras und Rebreather-Technik wirklich praktikabel. Und es bleibt noch immer das Problem des Antriebs. Kein Taucher schwimmt so schnell, dass er den Buckelwalen bei ihrer Wanderung folgen könnte. Ich denke, dass alle Forscher in diesem Raum den Wert von Beobachtungen dieser Tiere unter Wasser begreifen werden, und man muss gewiss nicht extra erwähnen, dass eine Forschung ohne Berücksichtigung des Unterwasserverhaltens unvollständig wäre. Da sind wir sicher einer Meinung, Dr. Box.«
Überall im Saal wurde ersticktes Kichern laut. Nathan Quinn lächelte. Graf Zahl ging unter keinen Umständen ins Wasser. Entweder hatte er schreckliche Angst davor, oder er war dagegen allergisch, aber wenn man ihn auf seinem Boot beobachtete, war nicht zu übersehen, dass er den Kontakt mit dem feuchten Nass um jeden Preis vermied. Wollte er aber auch weiterhin Gelder von der Internationalen Walfangkommission bekommen, musste er rausfahren und Wale zählen. Auf dem Wasser, niemals im Wasser. Quinn war der Ansicht, dass Box’ Arbeit schlechte Wissenschaft war und er seine Beraterdienste »dunklen Mächten« anbot. Er betrieb Studien und beschaffte Daten für den höchsten Bieter, und Nate zweifelte nicht daran, dass diese Daten im Interesse seiner Geldgeber verzerrt wurden. Mehrere Nationen in der Internationalen Walfangkommission wollten das Fangverbot für Wale aufheben, aber vorher mussten sie geprüft haben, ob sich die Population so weit erholt hatte, dass die Jagd wieder freigegeben werden konnte. Gilbert Box versorgte sie mit Zahlen. Nate wartete ab, bis der ausgemergelte Forscher nickte, dann nahm er die nächste Frage an.
»Ja, Margaret.«
»Ihre Studie scheint sich auf den Blickwinkel männlicher Tiere zu beschränken, ohne Einbeziehung der Rolle des weiblichen Wals. Könnten Sie dazu etwas sagen?«
Na, das kommt jetzt aber überraschend, dachte Nate.
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