Flowertown - Die Sperrzone
daran glauben. Und von den Gebäuden, die in die Luft geflogen sind, war das Archivbüro das einzige, das als Sicherheitsbereich galt. Alle anderen waren lediglich Lagerräumlichkeiten. Bleibt die Frage, ob derjenige, der die Bombegelegt hat, wusste, in welcher Kategorie Martha und ich waren. Ob er wusste, dass die H-Sechser und H-Siebener gewalttätig werden sollten.«
»Wenn das denn so stimmt.« Bing umfasste sie an den Schultern und schaute ihr in die Augen. »Ich will niemandem hier zu nahetreten, aber das sind alles nur Vermutungen. Wir haben keine Beweise dafür, dass es irgendeinen Plan gibt.«
»Aber Olivia meinte, dass die Horizont-Medikamente psychotropische Wirkstoffe beinhalten, die uns gewalttätig machen.«
»Nein, sie hat gesagt, dass sie annehmen, dass die Medikamente solche Wirkstoffe enthalten.«
Er senkte seine Stimme, sodass nur sie ihn hören konnte. »Ich weise nur ungern darauf hin, aber es liegt auf der Hand: Du warst auf der geschlossenen Station, bevor sie überhaupt an Horizont gedacht haben. Wenn diese Medikamente irgendeine Wirkung haben, dann die, dass sie dich paranoid machen.«
»Ich war nicht paranoid, als sie mir einen Wachmann vor die Nase stellten, weil sie dachten, dass ich geheime Akten klaue.«
»Du hast geheime Akten geklaut.«
»Ja, später.« Ellie schaute zu Boden. Sie fühlte sich auf unangenehme Weise beschämt und verlegen, als habe das Aufdecken ihrer medizinischen Kategorie sie als unwürdig entlarvt. Sie konnte nicht ertragen, was sie in Bings Augen sah. Sie schob ihn weg, obwohl sie es hasste, so pubertär zu klingen. »Welchen Unterschied macht das für dich? Du kommst hier ohnehin am Samstag raus.«
»Ellie …«
Ellie ließ ihn stehen. Etwas erleichtert hörte sie, dass Matt die Abendnachrichten entschlüsselt hatte. Sie gesellte sich zu Rachel und Annabeth vor den großen Bildschirm und wartete auf die Schlagzeilen. Die Nachrichtensendung begann mit dem üblichen, ernsthaften Brummton und dem Aufblitzen desSenderlogos. Danach flimmerten Spezialankündigungen über den Bildschirm. Annabeth schüttelte den Kopf.
»Das verheißt selten etwas Gutes.«
Die Kamera schaltete auf den Nachrichtensprecher an seinem Pult. Hinter ihm prangte eine warnende Grafik: PennCo Krise.
»Gibt es Ton?«, fragte Rachel. Matt nickte. »Es kann einen Moment dauern. Vielleicht ist er nicht ganz deutlich.« Doch trotz des gestörten Tonsignals gelang es ihnen, das Wesentliche mitzubekommen.
Der Nachrichtensprecher berichtete, dass irgendetwas die für Freitagmorgen geplante Pressekonferenz in Flowertown gefährde. Auf dem Bildschirm hinter ihm konnte man Bilder von Nachrichtenteams aus aller Welt sehen, die vor dem Osttor des Lagerbezirkes standen und darauf warteten, ihre Kameras in den Reinräumen aufbauen zu dürfen. Der Ton wurde jetzt so gut, dass sie den Text des Nachrichtensprechers einwandfrei verstehen konnten.
»Wie unsere Quellen soeben bestätigten, wurde das nun folgende Video aus dem PennCo Verwahrungslagerbezirk den Sicherheitsoffizieren von Feno Chemical zugestellt. Die Identität der betreffenden Person wird noch unter Verschluss gehalten, so lange keine weiteren Ermittlungen erfolgt sind. Aber uns wurde gesagt, dass die Drohung äußerst ernst genommen werde, und dass sämtliche Sicherheitskräfte in extreme Alarmbereitschaft versetzt wurden. Man versichert uns momentan, dass die Pressekonferenz wie geplant stattfinden wird. Allerdings wurden noch immer keine genauen Gründe für diese Pressekonferenz genannt.«
Die Stimme des Nachrichtensprechers wurde weicher, es gelang ihm, seinem Tonfall jene perfekte Mischung aus Traurigkeit, Autorität und Enthusiasmus zu verleihen, wie sie nurNachrichtensprechern eigen ist. »Selbstverständlich sind wir über die Spekulationen über die Gründe für die Konferenz informiert, die sich rasend schnell im Internet ausgebreitet haben. In unser aller Herzen lebt noch immer die Hoffnung, dass die Mehrzahl der in Quarantäne isolierten Menschen, die so lange von ihren Familienangehörigen getrennt waren, nun endlich freigelassen werden. Das Video, sollte es sich tatsächlich um eine ernstzunehmende Drohung handeln, nimmt vor diesem Hintergrund eine noch tragischere und schrecklichere Dimension an.«
Die Grafik hinter dem Nachrichtensprecher wurde größer und füllte den ganzen Bildschirm. Ein kurzes Testbild, gefolgt von Elektrostatik, und dann blendete das Bild in eine enge Nahaufnahme zweier wütender Augen. Alle
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