Flowertown - Die Sperrzone
Sirene los, und der Zaun wurde in grelles Licht getaucht, soweit Ellie sehen konnte. Fast wäre sie abgerutscht, als sie den Hals drehte, um zu sehen, was passiert war. Ein Arbeiter in einem Overall rannte auf das Drohnentor zu. Er schwenkte die Arme, dann sackte er zusammen. Ellie japste nach Luft, sie verstand nicht, was vor sich ging, bis sie sah, wie ein dunkelhaariger Mann in den Lichtschein trat. Torrez hielt ihr Brecheisen in der Hand. Er nickte ihr zu und zog das Tor zu.
Die Lampen entlang der Grenzstraße schienen über ihrem Kopf, und die Drohne verschaffte ihr Schatten, als sie über den Highway rollte. Plötzlich hörte sie ein surrendes Geräusch und wäre beinahe heruntergefallen, als die Mischung aus Pestiziden und Herbiziden nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt versprüht wurde. Die Dämpfe der giftigen Chemikalien brannten in ihren Augen, und ihre Lungen schrien nach frischer Luft. Sie drehte den Kopf zur Seite und konnte überdie mächtige Walze hinweg erkennen, wie es am Osttor hektisch wurde. Sirenen heulten und Suchscheinwerfer flammten auf. Als sie sich aufrichtete, um die Straße neben ihr besser einsehen zu können, wäre Ellie erneut beinahe von der Drohne heruntergefallen.
Sie sah, wie zwei schwarze Feno-Laster über die Grenzstraße rasten. Wegen der Chemikalien tränten ihre Augen, weshalb sie nur verschwommen sehen konnte, aber sie konnte mehrere Mündungsfeuer ausmachen. Sie wusste, dass Bing in einem der Laster saß, und betete, dass Guy in dem anderen sein möge. Die Drohne rollte weiter über die tote Erde im Grenzstreifen, der parallel zur Straße verlief, und war den Lastern ein gutes Stück voraus. Die Chemikalien brannten in den offenen Wunden ihres Gesichts. Wieder presste sie ihr Gesicht gegen das Metall. Guy würde es schaffen. Er würde Bing aufhalten.
Die Drohne verlangsamte ihr Tempo und Ellie hörte, wie die Gänge automatisch gewechselt wurden. Sie drehte ihren Kopf und schrie entsetzt auf, als sie feststellte, dass sie sich weiter von der Straße entfernten. Die Drohne wendete. Sie folgte ihrem Rotationsrhythmus und fuhr zurück zum Grenztor. Ellie vertraute darauf, dass Guy und sein Team es schaffen würden, aber die kleine Festplatte befand sich noch immer in ihrer Hosentasche! Sie hatte alles in der Hand. Sie hatte die Macht, Feno fertigzumachen. Ellie wusste, dass sie nicht zurück nach Flowertown gehen konnte.
Sie stieß sich mit den Knien ab und rollte von der Walz-Drohne weg, die, nachdem sie ihr langsames Wendemanöver beendet hatte, mit erbarmungsloser Präzision ihren Rückweg antrat. Ellie stand nun ganz alleine und ungeschützt auf der grauen Asche des Grenzstreifens.
Auf dem Highway, weniger als zwanzig Meter zu ihrer Linken, spielten sich dramatische Szenen ab. Funken stoben, als die beiden Laster seitlich gegeneinanderprallten und ihre Scheinwerfer zerbarsten. Weiter geradeaus standen die TV-Übertragungswagen, auf denen hohe Halogenlampen montiert waren, sowie eine ganze Mauer aus bunten Pressefahrzeugen, Polizeiautos und Armeelastern. Auf dieser Seite der Grenze gab es keine Zäune. Und Ellie wusste, wenn sie die Presseleute sehen konnten, dann konnten die sie ebenfalls sehen. Sie rannte auf die Menge zu.
Der ausgedörrte Boden des Grenzstreifens knirschte unter ihrem Laufschritt. Ellies Muskeln brannten vor lauter Anstrengung. Noch immer liefen ihr Tränen aus den Augen, und durch die chemischen Verätzungen war ihre Sicht verschwommen. Sie schmeckte Blut im Mund, als sie ihre Lungen bis zur Verausgabung beanspruchte.
Weniger als fünfhundert Meter trennten sie noch vom Ende des Grenzstreifens, von der Außenwelt. Da hörte sie die Schüsse. Sie wagte einen Blick zur Seite und sah, wie einer der Feno-Laster mit geplatzten Reifen ins Schleudern geriet. Der zweite Laster bretterte den Highway hinunter, direkt auf die Menge zu.
Mittlerweile konnte sie Gesichter erkennen. Sie mussten sie auch sehen, denn einige Leute zeigten auf sie, und Scheinwerfer wurden eingeschaltet. Sie blendeten sie stark, aber Ellie rannte weiter. Sie fegte über Dreck und Staub. Sie dachte an nichts, sie fühlte nichts. Sie konnte nur rennen, und dabei immer wieder ein einziges Wort herausschreien:
»Sauber! Sauber!«
Aus den Augenwinkeln registrierte sie, wie der Laster an ihr vorbeizog und dann sah sie, wie eine schwarz gekleidete Gestaltsie beobachtete. Doch sie beobachtete sie nicht nur. Sie richtete eine Waffe auf sie.
Als die Kugel durch ihre Schulter
Weitere Kostenlose Bücher