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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Redling
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Zahnfee unter das Kopfkissen legen und Rachel einen Vierteldollar dafür geben? Eine Halskette aus ihm basteln? Es war nichts weiter als ein toter Nervenknoten aus Emaille und nutzlosem Kalzium, aber trotzdem schien es ihr unpassend, ihn zusammen mit Zigarettenkippen und Tampons in den Müll zu schmeißen. Das Telefon in ihrer Tasche piepste, und weil sie den Zahn noch immer nicht loslassen wollte, klemmte sich Ellie die Zigarette in den Mund und verbog ihren Körper, um mit der rechten Hand das Telefon aus der linken Tasche zu angeln. Der Rauch der Zigarette trieb in ihre müde Augen, sodass sie fluchte, als sie endlich das Mobiltelefon erreichte. Als sie die Nachricht las, hätte sie das verdammte Ding beinahe aus dem Fenster gepfeffert.
    »Check-up 11 Uhr«
    »Fickt euch«, flüsterte Ellie in Richtung des Mobiltelefons. Noch ein Check-up? Sie hatte gedacht, dass es bei der Behandlung für Lebensqualität darum ging, sie in Ruhe sterben zu lassen und nicht darum, sie täglich ins Gesundheitszentrum zu zitieren. Es würde nicht einfach werden, ihren Status geheim zu halten, wenn man sie andauernd einbestellte. Sie wollte wenigstens vermeiden, dass Rachel die schlechten Nachrichten erfuhr, bevor sie ihren Passierschein erhielt. Wenn es etwas gab, das Rachel nicht gebrauchen konnte, dann war das jemand, der ihr beim Bemitleidetwerden Konkurrenz machte. Ellie blies einen dicken Schwall Rauch aus, den ein Sonnenstrahl traf und ihn über dem Gesicht ihrer Zimmergenossin zum Funkeln brachte. Rachel hatte sich in Embryonalstellung zur Seite gedreht, Ellie zugewandt. Ihr fettiges Haar klebte auf ihrer Wange. Das Sonnenlicht trug nicht gerade dazu bei, dass ihre Farbe besser aussah, und in diesem Moment sehnte sich Ellie danach, high zu werden, um sich nicht weiter ausmalen zu müssen, wieihre eigene Gesichtsfarbe in den nächsten Monaten aussehen würde. Sie erinnerte sich vage daran, ihr Gras am Abend zuvor bei Bing vergessen zu haben, und fluchte noch einmal.
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als zur Arbeit zu gehen. Sie wollte Bing nicht aufwecken, sie wollte nur high werden und nichts von dem tun müssen, womit sie sonst ihre Tage verplemperte. Die harte Kante von Rachels blütenweißem Zahn hatte sich in einer Falte ihrer Handfläche eingenistet. Ellie wollte ihn zerdrücken und zu Staub zerschmettern, und diesen Staub jedem ins Gesicht schleudern, der aus ihrem Leben so ein verfluchtes Fiasko gemacht hatte. Aus ihrem Leben, Rachels Leben, Bings Leben, und aus dem Leben von jedem in ganz Iowa. Sie wollte den Zahn in eine Waffe laden und ihn der nächsten Person in einer Feno-Uniform ins Gesicht feuern. Sie wollte, dass der Zahn explodierte, wie die Gebäude in der Nacht zuvor, und dass er einen Krater voll Abfall und Zerstörung mitten im Herzen der Erde hinterlassen würde. Sie wollte high sein. Sie wollte nichts mehr wollen.
    Rachel brabbelte im Schlaf, dabei fuhr ihre Hand unter dem Kissen umher. Ellie glitt von ihrem Bett herunter und zog ihre Turnschuhe an. Was sie wirklich nicht wollte, war Rachels Gesicht zu sehen, wenn sie sich im Spiegel sah und sich an den herausgefallenen Zahn erinnerte. Sie ließ den Zahn in ihre Hosentasche gleiten, klaubte ihre Zigaretten, ihren Dienstausweis und ihr Mobiltelefon zusammen und ging aus der Tür.
    Um diese Stunde war Flowertown still. Selbst die Zerstörungen der vorangegangenen Nacht veranlassten niemanden dazu, den Tag früh zu beginnen. Es kam Ellie so vor, als könnte sie noch immer Reste von nassem, verbranntem Holz riechen, aber wegen des Gestanks nach Entgiftungsmitteln, der aus denAblaufrinnen stieg, war das schwer zu sagen. Vor langer Zeit hatte sie es sich angewöhnt, in der kontaminierten Zone nicht allzu tief einzuatmen. Die Chancen, dass es stank, lagen hoch, egal, was der Grund dafür war. Also zündete Ellie sich eine Zigarette an und ging durch die leeren Straßen zum Archivgebäude.
    Es war noch nicht einmal sieben und die Büros machten erst um acht auf, aber Ellie spürte ein Kribbeln in ihrem Rückgrat und eine Nervosität in ihren Muskeln, sodass Laufen viel besser als Sitzen war. In ihrem alten Leben wäre das das Zeichen dafür gewesen, dass ihr Körper joggen wollte. Sie hätte ihren Sport-BH und ihre teuren Nike-Schuhe angezogen und wäre am See in Chicago entlanggelaufen. Die Hitze, das Atmen und das Klopfen hätten ihren Kopf befreit und ihren Körper erfrischt, ihre Lungen und ihre Muskeln genährt. Der Schweiß hätte ihre Haut gereinigt. Die

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