Flowertown - Die Sperrzone
härteste Arbeit, die ihre Lungen nun verrichteten, war das Einatmen dicker Schwaden unterschiedlichster Arten von Rauch, und ihre Beine bewegten sich nie schneller als auf schlendernden Spaziergängen wie diesem. Sie fühlte sich wie eine ewig gespannte Waffe, die angefangen hatte zu rosten.
Als sie um die Ecke auf die vierte Avenue bog, fiel Ellie eine Reihe Armeelaster auf, die vor einem Lagerhaus parkten. Ihre Klappen waren geöffnet, und Soldaten schafften Kisten aus dem Gebäude und luden sie auf die Ladeflächen. Instinktiv suchte sie unter den Männern nach Guy und fragte sich dann, ob er wohl immer noch zum Dienst erschien. Würden die Explosionen von gestern Nacht seinen Wechsel zu Feno verzögern? Würde er seine Meinung über seine Entscheidung ändern, wenn so ein Sinneswandel überhaupt erlaubt war? Letzte Nacht hatte sie sich keine Sorgen um ihn gemacht. Guy war der Typ Mann, der immer mitten ins Gewühl stürmte undsich gerade so vieler Narben rühmen konnte, dass es noch cool aussah.
Ellie stand in der Mitte der Straße und zündete sich eine Zigarette an. Die Soldaten ignorierten sie, falls sie sie überhaupt registrierten, und sie fragte sich, ob einer der Männer erfahren hatte, dass er infiziert war, so wie Guy. Sie fragte sich, ob irgendeiner von ihnen überhaupt vermutete, dass so etwas möglich war. Als ihre Finger erneut den Zahn in ihrer Hose ertasteten, versuchte sie sich vorzustellen, was für eine Wut und was für einen Zorn diese Männer, diese Jungs, wohl empfinden würden, wenn sie begreifen müssten, dass die geheiligten Abwehrmedikamente, die sie so sehr anbeteten, sie im Stich gelassen und ihren sicheren Hafen ausradiert hätten und sie auf das gleiche unsaubere Niveau der befleckten Flowertowner, die sie so ehrenhaft beschützten, herabgestuft wären.
»Fuck.« Ellie zog ihre Finger aus der Tasche. Sie hatte den Zahn so fest gedrückt, dass eine kantige Spitze die Haut ihres Daumens durchbohrt hatte. Sie ignorierte den ohnehin seit Langem vernachlässigten Instinkt für Hygiene und Gesundheitsbewusstsein und steckte sich den Daumen in den Mund, um das Blut abzulutschen. So wie die Dinge lagen, war eine Infektion durch Rachels Blut ihr kleinstes Problem. Sie wusste, dass sie ihn loswerden sollte, aber wieder war ihr unwohl bei der Vorstellung, sich einfach so eines Teils der jungen Rachel zu entledigen.
Zum ersten Mal seit Jahren wollte Ellie rennen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so aufgewühlt und ruhelos gefühlt zu haben. Dann fiel ihr ein, dass, soweit sie denken konnte, dies der erste Morgen war, an dem sie nicht bekifft war und sie schwor sich, diesen Fehler nie wieder zu begehen.Wach, nüchtern und aufgedreht um sieben Uhr in der Frühe in Flowertown – das war ein abgrundtief miserabler Zustand. Die Bar an der Ecke der sechsten Straße und achten Avenue würde geöffnet sein, es gab keine Sperrstunden hier. Doch als sie sich auf den Weg dorthin machte, wusste Ellie, dass sie nichts trinken würde. Je wacher sie wurde, je lauter der Lärm der um sie herum werkelnden Soldaten wurde, je widerlicher der Geruch aus den Abflusskanälen, desto klarer wurde ihr Verstand.
Sie ging an den Soldaten auf der Ecke vorbei und erwiderte das Glotzen von jedem Einzelnen. Sie unterbrachen ihre Arbeit nicht, aber sie folgten ihr mit den Augen. Sie schlug einen großen Bogen um die Laster, hielt dann aber an der Ecke an, um sie zu beobachten.
Die Soldaten luden unbeschriftete Plastikkübel aus dem Lager auf die Laster. Zuerst konnte sie nicht sagen, was ihr dabei so merkwürdig vorkam, aber schließlich erkannte sie, dass sie die ganze Zeit über, in der sie Soldaten bei ihrer Tätigkeit an Lagerhäusern zugeschaut hatte, nie gesehen hatte, wie Kübel tatsächlich aus den Gebäuden herausgetragen worden waren. Sie nahm an, dass man sie zu einem bestimmten Zeitpunkt herausgestellt haben musste, zur Weiterverteilung oder für die Müllabfuhr oder sonst was, aber dieses hier war das erste Mal, dass sie sah, wie Soldaten Kübel auf Laster luden, anstatt sie von Lastern abzuladen.
Fast wäre sie zu ihnen gegangen und hätte den erstbesten Soldaten gefragt, was sie da taten, aber dann hielt sie sich gerade noch zurück. Die Nüchternheit am Morgen hatte den gleichen Effekt wie damals in der Highschool, als sie sich das erste Mal heimlich mit einer Flasche Wein betrunken hatte: Sie beeinträchtigte ihre Geistesgegenwart. In Flowertown sprachniemand mit den Soldaten. Und das
Weitere Kostenlose Bücher