Flowertown - Die Sperrzone
ihren Verband verloren.
»Oh nein. Oh nein.« Ellie drehte sich im Kreis und suchte den Boden ab. Erfolglos hoffte sie, dass sie den Mullbausch finden würde, und, was noch viel wichtiger war, das Klebeband mit der kryptischen Botschaft.
»Ich habe meinen Verband verloren. Ich muss ihn finden. Ich muss dir etwas zeigen.«
»Ellie, hör mir zu.« Er packte sie noch einmal. »Kümmere dich nicht um den Verband.«
»Ich hatte einen Check-up. Sie haben mir Blut abgenommen. Bing, ich muss dir etwas sagen.«
»Dafür ist jetzt keine Zeit. Du musst lügen, was den Check-up betrifft. Vielleicht werden sie nicht … Ach Scheiße.«
Ellie konnte seine letzten Worte nicht verstehen, denn die Feno-Sicherheitsfahrzeuge, die gerade herbeirollten und den Ort der Explosion einkreisten, übertönten jedes andere Geräusch.
Die Laster und Jeeps bildeten eine enge Barrikade außerhalb des gelben Absperrbandes, und bewaffnete Soldaten quollen dutzendweise aus den Fahrzeugen. Sie richteten ihre Waffen auf die eingeschlossene, wogende Menge.
»Bitte Ruhe bewahren«, schepperte eine Megafonstimme über den chaotischen Lärm. »Jeder bleibt dort, wo er ist.« Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kommandos verlieh die Anwesenheit der Sicherheitskräfte dieser Stimme mehr Gewicht, und die Menge beruhigte sich nach und nach. Man konnte sogar eine gewisse Erleichterung ausmachen. In dem Chaos und Horror der Explosion war alles willkommen, was Ordnung in den Irrsinn brachte, selbst die Feno-Sicherheitstruppen. Mehrere Wachen kletterten auf die Dächer ihrer Fahrzeuge und nahmen dort ihre Position, mit dem Gewehr im Anschlag, wieder ein. Andere standen Schulter an Schulter und füllten dieLücken zwischen den Fahrzeugen aus. Der Rest legte die Waffen zurück in die Fahrzeuge und begann, durch die Menge zu gehen und sie in kleine, übersichtlichere Gruppen aufzuteilen. Bing hielt Ellies Hand fest umklammert, als sie beide in eine Gruppe mit rund zwölf anderen Personen getrieben wurden.
Währenddessen spritzten die Feuerwehrleute noch immer Wasser auf das Gebäude. Die Ambulanzlichter blinkten und die Funkgeräte knisterten. Als die ersten beiden Krankenwagen wegfuhren, machte ihnen die Menge schweigend den Weg frei und schaute ihnen nach. In dem Moment fuhr Flowertowns letzter Krankenwagen vor. Anscheinend funktionierte die Notrettung heute wie eine Staffel.
Ellie linste durch die zusammengedrängten Massen und sah, wie Sanitäter die Verletzten auf Tüchern auf den Boden legten und direkt an Ort und Stelle versorgten. Sie murmelte Bing zu, dass sie nach Big Martha suchen wollte, bahnte sich ihren Weg durch die Menge und erspähte ein Abflussgitter. Sie hoffte, dass in dem Chaos niemand sie dabei beobachten würde, wie sie den Gullydeckel wegschob und die Tüte in eine dunkle, enge Spalte oberhalb des Abflussrohres stopfte. Endlich konnte sie halbwegs ruhig atmen. Sie stellte sich auf die Fußspitzen und überblickte das Gebiet. Dann ging sie rasch zu ihrem Freund zurück.
»Ist dir etwas Merkwürdiges aufgefallen, Bing?«
»Du machst Witze, oder? Abgesehen davon, dass unser Gebäude in die Luft gejagt wurde?«
»Das ist es ja. Unser Gebäude ist gerade in die Luft gejagt worden.« Ellie sprach leise. »Sieh dich um. Wo ist die Armee?«
»Sie sind ….« Bing reckte seinen Hals und schaute in alle Richtungen über die Masse hinweg. »Ich weiß es nicht. Sie sind nicht hier.«
»Genau, sie sind nicht hier. Heute Morgen habe ich gesehen, wie sie allerhand Zubehör aus einem Lagerhaus transportierten und damit einen Laster beluden. Es sah nicht danach aus, als würden sie viel zurücklassen.«
Eine Frau stieß von hinten gegen Ellie, ihr Gesicht war voller Ruß, und ihre Augen wild. »Was hast du gesagt? Die Armee kommt nicht? Was soll das heißen?« Die Menge schnappte ihre panischen Fragen auf und in Sekundenschnelle hatten sich Gerüchte und Spekulationen von ihrem kleinen Haufen ausgehend wie ein Buschfeuer unter allen Leuten ausgebreitet.
Die Ruhe, die eingekehrt war, verpuffte rasant, als die Leute begannen, nach der Armee zu rufen. Wenn sie es wussten, dann sagten die Feno-Truppen nichts. Stattdessen verließen sich die Wachen in der Menge auf ihre Stärke, ihre Autorität und wenn nötig auf ihre Schlagstöcke, um die kleinen Gruppen noch enger zusammenzutreiben. Die Stimme schepperte erneut durch das Megafon.
»Bleiben Sie, wo Sie sind. Bewahren Sie Ruhe. Zwingen Sie uns nicht, vorbeugende Maßnahmen gegen Sie zu
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