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Flowertown - Die Sperrzone

Flowertown - Die Sperrzone

Titel: Flowertown - Die Sperrzone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.G. Redling
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gab es einen Behälter mit Herbiziden und Pestiziden, die die Drohnen in einem feinen Sprühnebel über dem Boden ausbliesen. Das hintere Ende der Maschinen bestand aus riesigen Stahlwalzen, die über die feuchte Stelle hinwegrollten und dabei den Boden so fest zusammenpressten, dass kein Staubkorn aufkommen und versehentlich mit dem Wind davongetragen werden konnte.
    Seit knapp sieben Jahren walzten die Drohnen über ihr Einsatzgebiet und präparierten den Todesstreifen zwischen Flowertown und dem Rest der Welt – vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Ellie fragte sich, ob irgendjemand auf der anderen Seite der Grenze den Gestank der Chemikalien riechen konnte. Wahrscheinlich nicht. Sie bezweifelte, dass irgendjemand nahe genug am Grenzstreifen leben konnte oder das gar wollte.
    Sie drückte ihr Gesicht gegen die Glasscheibe und quetschte ihre Nase und ihre Lippen so fest gegen die glatte Fläche, dass es schmerzte. Was machte es schon für einen Unterschied, ob man sie wegen der Bombe verhaftete? Was würden sie mit ihr anstellen? Sie umbringen? Sie war schon so gut wie tot. Ihre Leber hatte sie im Stich gelassen. Sie würde nie aus Flowertown herauskommen; sie bezweifelte, dass irgendjemand von ihnen das je schaffen würde. Alles, was ihr geblieben war, war ein beschissenes Zimmer in einem beschissenen Gebäude, in dem sie einen beschissenen Typen vögelte, der sie an seine beschissenen Chefs auslieferte. Sie hatte beschissene Klamotten, beschissenes Essen, einen beschissenen Job und akzeptables Gras. Ellie rieb ihr Gesicht weiter gegen das Glas und hörte es knirschen, als es einen Sprung bekam. Sie vergrub ihre Hände tief in den Hosentaschen, damit sie nicht das Glas durchschlagen würden, und als ihre Finger auf etwas Hartes in der Tasche stießen, konnte sie ihr Schluchzen nicht zurückhalten.
    Rachels Zahn. Nach allem was passiert war, hatte sie noch immer Rachels Zahn in der Tasche. Ellie umklammerte den scharfen, weißen Zahn und spürte, wie das Glas unter ihren Tränen und heftigen Atemzügen immer wärmer wurde. Sie besaß nicht viel, eigentlich kaum etwas. Aber diesen Zahn, den wollte sie haben. Er gehörte ihr. Sie hatte ein Recht auf ihn. Sie hatte ein Recht auf ihre beschissenen Klamotten und ihren dreckigen Spiegel und den widerlichen Siff in dem kleinen Kühlschrank, den sie sich mit diesem süßen, dummen Mädchen vom Land teilte, das noch immer daran glaubte, es würde seine Entgiftungskur überstehen und endlich Las Vegas zu sehen bekommen. Sie hatte ein Recht darauf, sich mit Bing zuzukiffen und auf seine hässlichen, weißen Socken zu starren, wenn er unter seinem Couchtisch ausgestreckt lag und sie anbrüllte, weil sie sich nicht um seine verrückten Verschwörungstheorienscherte. Sie hatte ein Recht darauf, beschissenes Chili zu essen, keine Zeitung zu lesen und mit Big Martha Zigaretten zu rauchen.
    »Argh.« Sie konnte keinen anderen Ton aus sich herausbekommen, als sie sich vom Fenster wegschob und dem Nichts draußen ihren Rücken zukehrte. »Argh!« Sie ächzte lauter, versuchte ihre Augen zu schließen und ihre eingeübten Atemzüge zu machen, aber ihr Körper und ihr Geist wollten nicht kooperieren. Stattdessen trat sie nach vorne aus, hoch und kräftig, und jagte den nächstbesten Tisch einmal quer durch den Raum. Das fühlte sich verdammt noch mal besser an, als andauernd tief einzuatmen, und deshalb trat sie noch einmal, diesmal gegen einen Stuhl, dann gegen noch einen, dann gegen einen dritten. Sie verschaffte sich ganz schön viel Platz, wie sie da so vor sich hin trat und ächzte und nur dann atmete, wenn der Gegenstand, gegen den sie getreten hatte, polternd umfiel.
    Noch besser als das Treten fühlte sich das Werfen an, und Ellie stellte fest, dass sie die billigen Plastikstühle so stark gegen die Wand schleudern konnte, dass sie mit einem befriedigenden Getöse aufprallten. Sie warf sie nicht einfach, sie schwang sie über ihrem Kopf und pfefferte sie dann los, manchmal seitlich, manchmal frontal, aber immer so fest, dass es genug Krach machte, damit sie atmen konnte.
    Sie musste über einen umgestürzten Tisch klettern, um den nächsten Stuhl zu befreien. Von dem Schweiß, der ihr die Arme hinunterlief, waren ihre Hände rutschig, aber sie wusste, dass sie fest genug zugreifen würde. Es war ihr egal, ob die Wachen sie erschießen würden. Schleudern, zertrümmern und schreien, das war alles, was sie wollte. Sie hob den Stuhl über ihren Kopf und

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