Flowertown - Die Sperrzone
verloren.«
»Du hast dein Telefon verloren.«
Sie konnte den anklagenden Tonfall in seiner Stimme hören. Wie die meisten anderen Bewohner der modernen Weltauch, ging Ellie kaum jemals ohne ihr Mobiltelefon aus dem Haus. Und Guy wusste, dass sie als ELQ-Patientin ihre Terminerinnerungen per SMS bekam. Sie konnte ihr Mobiltelefon nicht verloren haben. Er starrte sie an, und sie merkte, wie sie unter seinem Blick immer kleiner wurde. Als er schließlich sprach, war seine Stimme mild.
»Wir können dein Telefon per GPS suchen. Wir werden es finden, und wenn wir es gefunden haben, werden wir überprüfen, ob es dort irgendeinen Beweis für einen Termin im Gesundheitszentrum gibt. Verstehst du, was ich dir sage?«
Ellie nickte. Sie konnte nicht reden, sie konnte nicht schlucken. Sie wusste, dass sie die SMS finden würden, die ihren Termin für den Check-up bestätigen würde. Das würde sie entlasten. Aber da war etwas anderes, etwas, das ihre Hände kalt und ihre Magengrube zu einem schmerzhaften Knoten werden ließ. Sie wusste nicht, wo ihr Mobiltelefon war. Es war ihr heruntergefallen, als sie die Botschaft auf ihrem Verband gelesen hatte. Damit konnte das Telefon an zwei verschiedenen Orten sein. Entweder lag es auf der Straße vor dem Gesundheitszentrum und würde ihre Version nur bestärken. Oder es war in die Tüte mit den Salzcrackern und den gestohlenen Feno-Akten gerutscht, die jetzt hinter einem Gullygitter keine zehn Meter von der Explosionsstelle versteckt war.
Die Wachen sperrten sie in einen kleinen Seminarraum. »Habt ihr keine Angst, dass ich die Kreide klaue?« Sie hämmerte gegen die Tür, die sie hinter sich zusperrten, und wendete sich dann dem übermäßig hell beleuchteten Raum zu. An einer Wand hing eine große, detaillierte Karte von Flowertown, auf der Feno-Logos und firmeninterne Bezeichnungen eingetragen waren. Ellie rieb sich ihre Handgelenke, die die Wachen brutal gequetscht hatten, als sie sie hinter sich herzogen.
»Sie sind hier.« Mit lauter Stimme las sie die Worte auf dem Pfeil, der auf ein auf der Karte farbig hervorgehobenes Gebiet zeigte, das sich am südlichen Ende von Flowertown befand. Es handelte sich um das Lager für das Feno-Personal. »Ja, das bin ich. Und ich bin am Arsch.«
Als sie sich geweigert hatte, noch etwas zu sagen, hatte Guy die Wachen gerufen, um sie abführen zu lassen. Es ging weniger darum, dass sie sich selbst belasten könnte. Der fünfte Zusatzartikel zur Verfassung, der die Rechte von Angeklagten regelte, war Fenos geringste Sorge. Es gab schlicht und ergreifend nichts mehr zu sagen. Direkt über ihrem Kopf klappte plötzlichder Deckel der Klimaanlage auf, und ein Stoß kalter Luft blies über sie hinweg. Sie roch den Chemikalienfilter und trat aus dem Luftzug. Sie bevorzugte ihren eigenen Angstschweiß.
Relativ weit oben an der Wand hing ein Flachbildschirmfernseher. Der Ton war ausgeschaltet. Ellie starrte auf die Bilder, die an ihren Augen vorbeiflimmerten, und hoffte, dass sie ihren Verstand aus dem Strudel der Angst befreien würden. Unbeweglich und mit hängendem Unterkiefer sah sie dabei zu, wie eine junge Frau ihr Gesicht in einem flauschigen Handtuch vergrub und enthusiastisch den Geruch eines Weichspülers einatmete. Gedankenverloren befingerte Ellie den Saum ihres versifften T-Shirts. Sie konnte die Kruste irgendeines alten Essensrestes ertasten. Vielleicht stammte sie von dem Chili, mit dem sie Cooper gepeinigt hatte. Horror drohte sie zu überwältigen, also biss sie die Zähne zusammen und schloss die Augen so fest, dass sie gerade noch Blitze aus blauem Licht sehen konnte. Ein, zwei, drei Atemzüge, und sie öffnete ihre Augen wieder. Ihr Verstand war leer.
Kinder warteten in einer Schlange darauf, in einen Schulbus zu steigen. Sie waren sauber und lachten. Ellie sah eine Szene nach der anderen vorbeiblitzen, Swimmingpools und Baseballfelder, unterschnitten mit Aufnahmen von Müttern, die ihre Kinder im Arm hielten und Vätern, die in liebevoller Besorgnis die Stirn runzelten. Es war eine gut gemachte Werbung, das wusste Ellie aus der Zeit, als sie selbst Werbekampagnen entworfen hatte. Die Leute waren attraktiv und glaubwürdig, das Licht war weich und einladend. Sie hatte keine Ahnung, was dort angepriesen wurde, aber sie konnte sich vorstellen, dass die Kunden es kaufen würden. Zum Schluss zoomte die Kamera auf ein Kind mit großen Augen, das sich an das Bein seiner Mutter schmiegte. Dann wurde der Bildschirm grau, und
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