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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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Arme hätten sein sollen, aber er sah nichts. Und dann, ganz langsam, erschien in der Luft eine leuchtende Löwenzahnblüte.
    Henry drehte sich um, machte einen Schritt über sich hinweg und ging durch die Tür.
    Draußen stand ein Elf. Er lehnte am Türpfosten und gähnte. Er hatte die Arme verschränkt und unter dem einen Arm einen Stock mit einer knotigen Wurzel am Ende.
    Henry ging an ihm vorbei und den Flur entlang. Die Lampen hingen so tief von der Decke herab, dass er sich darunter ducken musste. Aber dann fragte er sich, ob das überhaupt nötig war. Er hatte zwar das Gefühl, dass er einen Kopf hatte, den er bewegen konnte, aber genau wusste er es nicht.
    Er hielt nach einer Treppe oder einer Rampe Ausschau, nach irgendetwas, das nach oben führte. Der Flur war irgendwie seltsam. Obwohl er überwiegend aus Erde bestand, schien er überhaupt nicht schmutzig zu sein. Der Boden war aus Schiefer, anders als in seiner Zelle. Der obere Teil der Wände bestand aus grünlichem Lehm, der zu Platten geformt war, zuweilen auch zu komplizierten Friesen und hier und da zu Formen und Figuren aller Art.
    Überall, wo er vorbeikam, war der untere Teil der Wände
mit Holz verkleidet, das unnatürlich hell war, beinahe wie gekalkt wirkte. Dies traf auch auf eine Reihe von Türen zu. Andere Türen waren aus Weidenruten geflochten, wie die an Henrys Zelle. Auch sie waren weiß gefärbt.
    Als er schließlich auf eine Wendeltreppe traf, stieg er sie hinauf und versuchte sich in der engen Spirale möglichst klein zu machen. Zwei Elfen kamen heruntergestapft und gingen ohne zu zögern durch ihn hindurch. Allerdings erschauderten beide im Weitergehen kurz.
    Henry stieg aufwärts, bis er in das nächste Stockwerk kam. Hier herrschte ziemlicher Betrieb, und er stieg weiter nach oben. Die Farbe des Lehms veränderte sich, wurde rauchgrau und hatte an einigen Stellen braune und zum Teil sogar rote Streifen. Die Flure schienen weit entfernt von den Vorgaben menschlicher Bauweise, denn sie stiegen an und fielen ab, beschrieben Kurven oder knickten ab – womöglich war der verantwortliche Architekt dem Tollhaus entsprungen.
    Schließlich entdeckte Henry im vierten Stockwerk, als er gerade an einer Gruppe lachender Elfen vorbeikam, eine breite, niedrige Tür. Auf den ersten Blick schien der Knauf aus Metall zu sein. Auf den zweiten Blick aber sah man, dass er doch aus Holz war und sogar noch seine Rinde besaß und nur einfach wie ein Türknauf gewachsen war.
    An dem Knauf hing ein großes Holzschild, das sorgfältig mit schwarzen Buchstaben bepinselt war. Merkwürdigerweise versuchten die von Hand gemalten Buchstaben das Schriftbild einer Schreibmaschine nachzuahmen – obwohl der Künstler es sich nicht hatte verkneifen können, jedes T mit einem
kleinen Schnörkel zu versehen. Das Ganze war ein bisschen extravagant unterstrichen.
    Privé
    Nicht eintreten, anklopfen oder den Zugang verstellen
    (Zuwiderhandlungen werden geahndet)
    Zuerst überlegte Henry, ob es sich vielleicht um ein Klo handelte. Aber dann trat er ein.
    Der Raum war äußerst edel eingerichtet. Ein roter Teppich, dick wie eine Wiese, die dringend gemäht werden müsste, lag auf dem Boden. An der hinteren Wand schimmerte ein großes rundes Fenster aus dreieckigen Scheiben. Die Wände waren von hellgrüner Farbe und aus gleichmäßigen rechteckigen Platten geformt. Auf jeder dieser Tafeln prangte in der Mitte ein Gesicht. Immer dasselbe, nur mit unterschiedlichen Mienen zu ein und demselben Thema: Seriosität. Man hätte auch sagen können: der Wichtigtuerei. Es war ein rundliches Gesicht mit dichten Augenbrauen. Und es saß in einem tiefen Sessel am Fenster und nippte an einem Getränk.
    Der Elf, dem es gehörte, war eher schlank, und das rundliche Gesicht wurde von einem sonderbar mageren Hals getragen. An den Seiten hatte er sein Haar kurz geschnitten, und obenauf war sein Kopf kahl. Er war glatt rasiert und auf seiner Nase saß eine Nickelbrille mit schwarzem Gestell. Besonders auffällig war, dass er einen fuchsia-roten Bademantel trug, der offensichtlich einmal einer Frau gehört haben musste.
    Henry erinnerte sich an seine erste Begegnung mit Eli und
überlegte, ob es vielleicht typisch für die Faeren war, dass sie eine Schwäche für gestohlene Bademäntel zeigten.
    Zwei andere Elfen saßen ihm in etwas weniger bequemen Sesseln gegenüber. Der eine hatte zwar ein jugendlich wirkendes Gesicht, aber sein Haar erinnerte in Farbe und Beschaffenheit an Stahlwolle. Der

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