Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
Vom Netzwerk:
sich darüber zu freuen, wie Henry allerlei Rechtfertigungen vorbringen würde, warum er sie nicht in seinen Plan eingeweiht hatte. Oder sie würde es einfach ihrem Vater stecken und die beiden von ihm erwischen lassen. Aber dann käme sie nie mehr nach FitzFaeren. Denn dahin wollten Henry und Richard doch. An den Ort, wo sie stecken geblieben war. Und wo Eli sich aus dem Staub
gemacht hatte. Sie würden ihn nicht finden. Er war längst weg. Aber selbst wenn er noch in dem zerstörten Saal gestanden hätte und nur darauf wartete, sie zu treffen, hatten die beiden keine Chance, ihn zu schnappen. Nicht, wenn Eli auch ihr entkommen war.
    Richard kam vorbei und Henrietta ließ ihn laufen. Sie würde ihnen nach FitzFaeren folgen.
     
    Richard zuzuhören war extrem nervig. Er war nicht in der Lage laut vorzulesen, ohne seine Tonlage bis zur Decke in die Höhe zu schrauben und die Vokale durch die Nase zu sprechen. Henry versuchte aufmerksam zu verfolgen, wie die Fächer funktionierten, aber es gelang ihm einfach nicht. Die Aufzeichnungen seines Großvaters plätscherten ohne Atempause dahin, zumindest wenn Richard sie vorlas.
    Er war schon zweimal eingeschlafen, bis er sich schließlich Richards Stimme entgegenwälzte und mit der Hand nach ihm tastete.
    »Danke«, sagte er. »Du kannst jetzt schlafen gehen. Ich wecke dich später.«
    Richard gab ihm das Notizbuch und flüsterte ihm ins Ohr, wie aufgeregt er wegen der bevorstehenden Expedition war.
    »Schon gut«, meinte Henry. »Mach die Tür bitte gut zu.«
    Die Doppeltür wurde geschlossen und Henry steckte das Notizbuch in den Rucksack, in dem sich bis dahin nur die Taschenlampe befand. Der Schlüssel lag noch unter seinem Kissen. Er wollte ihn nicht nach FitzFaeren mitnehmen. Falls etwas Schlimmes geschah, was er nicht hoffte, musste Onkel Frank in Großvaters Zimmer hineinkönnen.

    Henry lag auf dem Rücken, kreuzte die Arme über dem Rucksack und rührte sich nicht. Die Kombination der Kompass-Schlösser hatte er von Richard schon einstellen lassen, und seine Schuhe standen neben dem Bett. Alles war vorbereitet. Er fühlte sich so gut wie nie, seitdem Onkel Frank ihm den Brief der Rechtsanwältin gegeben hatte. Er tat etwas. Vielleicht war es ja umsonst. Vielleicht änderte es überhaupt nichts – aber immerhin handelte er.
    Als Onkel Frank hinaufgekommen war, war Henry geradezu aufgekratzt gewesen. Er hatte seinem Onkel erzählt, dass er einen Schimmer gesehen hatte – was ja auch stimmte – und Frank hatte sehr erleichtert geklungen, als er Henry auf die Schulter geklopft und ihm eine gute Nacht gewünscht hatte.
    Da ihm einfiel, dass das Licht möglicherweise noch an war, drehte Henry sich auf die Seite und tastete nach seiner Lampe. Dabei orientierte er sich mit den Fingerspitzen an der Wärme des Lichtstrahls, bis er den Schalter gefunden hatte. Nichts änderte sich, nachdem er ihn ausgeknipst hatte.
    Im Dunkeln hob er die Hand. Das Mal war immer noch da, leuchtete und krümmte sich, zog sich zusammen und dehnte sich wieder aus.
    Henry beobachtete die Farben, bis sein Herzschlag in seinem Kopf hämmerte. Dann senkte er seinen Arm und schloss die Augen.
     
    Der Traum begann an Henrys Zehen. Sie waren nackt und feucht. Henry krümmte sie und merkte, wie sie sich in etwas Kaltes und irgendwie Schwammiges gruben und wie Wasser zwischen ihnen hervorquoll.

    Wind wehte ihm ins Gesicht. Er war stark, aber nicht zu heftig und blies ganz gleichmäßig. Henry atmete tief ein, füllte seine Lunge und seinen Kopf mit seiner Einbildung. Die Luft schmeckte süß und auch ein wenig salzig.
    Der sanfte Rauschen Tausender Bäume umgab ihn und er sehnte sich danach, sie sehen zu können, seine Blindheit abzuschütteln und die silbrigen Unterseiten der Blätter im Wind flattern und fächeln zu sehen.
    Warum gelang es ihm nicht? Er träumte doch. Soviel war ihm klar. Und im Traum müssten seine Augen sehen können.
    Er blinzelte, aber irgendetwas war da im Weg. Nicht vor seinen Augen, sondern dahinter, zwischen seinen Augen und seiner Vorstellung – ein Vorhang aus Dunkelheit.
    Seine rechte Hand brannte auf seiner Schläfe. Er zog sie weg und betrachtete sie. Die Brandwunde leuchtete hell auf und in ihrem flackernden Schein konnte er den Umriss seiner Hand erkennen.
    Henry hob die Hand und drückte das lodernde Mal auf sein Auge. Er spürte einen brennenden Schmerz und öffnete den Mund, um zu schreien. Aber in seinem Hals war keine Luft. Er gurgelte gequält − aber es war,

Weitere Kostenlose Bücher