Fluch der 100 Pforten
Gesicht gepustet, während ihm Leute, die er nicht sehen konnte, Blut abgenommen und ihn durch Röhren geschoben haben, ihn in einen Becher pinkeln ließen und an seinen Augen herumhantiert haben. Wenn er jetzt seine Ruhe haben will, kann man ihm das nicht verdenken. Wir können ihm ein bisschen später noch etwas Futter anbieten.«
»Glaubst du denn, dass er in Ordnung ist?«, fragte Dotty.
Frank wandte sich wieder nach vorn. »Nein«, antwortete er.
»Das glaube ich nicht. Er wird weitere Ärzte aufsuchen müssen und das noch eine ganze Weile lang, bis ihm einer sagt, dass er nicht spinnt und dass es nur ein kleiner Käfer ist, der sich in seinen Kopf geschlichen und seinen Fuß einfach auf eine falsche Stelle gesetzt hat. Vor Henry liegen eine ganze Reihe Unannehmlichkeiten. Aber es reicht, wenn sie morgen beginnen.«
»Gibt es das?«, fragte Anastasia. »Kann man einen Käfer im Kopf haben?«
»Nein«, sagte Dotty. »Kann man nicht.«
Frank nickte. »Passieren kann es schon.«
»Dazu muss man ein Ei einatmen oder so«, sagte Penelope. »Wenn der Käfer dann schlüpft, muss er nur in die falsche Richtung und in deine Nebenhöhlen laufen und gelangt von da aus in dein Hirn.« Sie legte ihr Buch hin. »Dad, ich könnte doch nach oben gehen und Henry etwas vorlesen. Ich würde ihm auch bestimmt nicht auf die Nerven fallen.«
Frank schüttelte den Kopf.
»Frank, ich mache mir wirklich Sorgen um ihn«, sagte Dotty. »Es ist kein Käfer, den er da im Kopf hat.«
»Irgendetwas muss es ja sein«, antwortete Frank. Er lehnte sich zurück und nahm die Hand seiner Frau. »Ich werde gleich mal nach ihm sehen.«
»Richard!« Henrys Stimme schallte ins Wohnzimmer.
Richard sprang auf und sah Frank an. Frank lächelte und nickte, und der dünne Junge mit der rosa Jogginghose sprang über Henrietta hinweg zur Tür. Nur einen kurzen Moment später, sobald der Lautsprecher des Fernsehers wieder eingeschaltet war und ihre Mutter den Raum verlassen hatte, rollte
Henrietta sich auf den Bauch, kroch zur Tür, stand auf und folgte ihm leise.
Henrietta musste die Dachbodentreppe noch nicht mal hinaufgehen. Von ihrem Fuß aus konnte sie alles ganz genau hören.
»Nein«, sagte Henry. »Wir gehen nicht für immer weg. Ich will mich nur umsehen. Das heißt: Du sollst dich für mich umsehen.«
»Und wenn wir gleich heute Abend auf ihn stoßen?«, erkundigte sich Richard. »Werden wir ihn dann jagen, so wie Henrietta?«
»Nein, wir werden ihn nicht jagen. Ich will nur mit ihm reden. Aber ich glaube sowieso nicht, dass wir ihn finden werden.«
»Und warum versuchen wir es dann?«
»Pass auf, Richard: Ich muss Eli sprechen. Aber ich will nicht einfach so in eine fremde Welt hineinstolpern. Wir müssen uns erst einmal umtun, ein Gefühl für den Ort entwickeln, ob es Tag ist oder Nacht und so weiter. Wir wollen nicht einfach blindlings durch die Dunkelheit hetzen. Nicht dort.«
»Wir sollten uns an Henrietta wenden«, meinte Richard. »Dieweil sie doch schon dort war.«
»Ich doch auch! Und ich habe sie retten müssen, weil sie stecken geblieben war. Du kennst die Geschichte doch.«
»Und ich habe dich gerettet, als du stecken geblieben warst.«
»Stimmt«, gab Henry zu. »Sozusagen.«
»Und warum bittest du nicht einfach sie um Hilfe?«
»Weil ich jemand brauche, der tut, was ich sage«, antwortete
Henry. »Ich bin blind, Richard. Am Ende lässt sie mich in der Dunkelheit stehen und läuft los, um sich irgendetwas anzusehen, das sie neugierig gemacht hat. Was alles Mögliche sein kann. Darum.«
»Na gut«, sagte Richard. »Und du willst, dass ich eine Taschenleuchte entwende.«
»Eine Taschenlampe, ja. Und Batterien. Schaffst du das, ohne dass es jemand bemerkt?«
»Zu Hause habe ich mal einen Hasen vier Tage lang unter meinem Hemd versteckt gehalten, ohne dass jemand es bemerkt hat. Aber irgendwann sind sie doch dahintergekommen. Und dann hat der Koch den Hasen für mich braten müssen.«
»Oh«, sagte Henry. »Das tut mir leid. Ich möchte nur, dass du mir etwas vorliest. Bitte hol jetzt schnell die Taschenlampe und komm dann wieder.«
Henrietta hörte, wie Richard die Dachkammer verließ. Sie flitzte über den Flur in ihr Zimmer, bevor Richard an der Treppe war. Sie hätte ihn am Schlafittchen packen und ihn zwingen können, den Mund zu halten und sich dazuschmuggeln können. Henry war ja blind. Vielleicht würde er es gar nicht bemerken. Aber es würde mehr Spaß machen, sie auf frischer Tat zu ertappen und
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