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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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Der Meerwassergeruch war aus seiner Nase gewichen und seine Sinne richteten sich jetzt auf andere Dinge.
    Unterdrücktes Lachen. Schwere Schritte. Ein Hund, der bellte. Wind, Husten und zersplitterndes Glas. Und aus vielen der Fächer nichts weiter als dunkle und uralte Stille, an
der lange Zeit nicht gerührt worden war. Links, wo Wand und Decke zusammentrafen, flackerte Feuerschein durch eine rechteckige Tür. Frank konnte sogar Rauch entweichen sehen.
    »Freundliche Eingeborene!«, rief eine Stimme. »Verbrennt meines auch!«
    Frank bückte sich, lehnte sich über das Kopfende von Henrys Bett und schlug die Tür schnell zu. Feuer würde bedeutend nachhaltiger wirken als Wasser.
    Er richtete sich wieder auf und konzentrierte sich auf die Tür mit den Kompass-Schlössern in der Mitte der Wand, die ebenfalls offen war. Diese Tür war das Problem. Zeigten die Knöpfe noch auf dieselbe Einstellung wie vorher? Oder hatten Darius’ Kommandos sie verstellt? Die Tür stand offen. War sie vielleicht auf ihre eigene Kombination eingestellt?
    Er schloss die Tür ein wenig und sah sich die Knöpfe an. Nur eine ihrer Hunderte von Kombinationen würde zu seiner Tochter führen. Und nur eine zu seinem Neffen. Sofern sie nicht zusammen unterwegs waren. Aber das glaubte Frank nicht. Nicht nach dem, was Richard gesagt hatte. Und nicht nach dem, wie sie miteinander umgegangen waren, bevor dies alles geschehen war.
    Dass er und die anderen nicht in dieser Gras-Wildnis bleiben konnten, wusste er. Ansonsten wusste er aber herzlich wenig.
    Frank drehte den rechten Knopf eine Position weiter und schloss die Tür. Er rüttelte noch mal daran, um zu sehen, ob sie sich doch noch öffnen ließ. Aber sie war fest zu. Er drehte den Knopf zurück und zog. Die Tür ging ohne Widerstand auf.
    Er kniete sich auf Henrys feuchte Matratze, griff in das offene Fach hinein und tastete umher. In einer Ecke stießen seine Finger auf etwas Trockenes und Verschrumpeltes. Frank zog die Hand heraus. Der mumifizierte Kadaver einer Maus lag steif auf seiner Handfläche.
    Frank warf die Maus in irgendein offenes Fach und trat einen Schritt zurück. Jetzt war er sich sicher. Die Kompass-Schlösser waren tatsächlich auf ihre eigene Kombination eingestellt. Frank hätte nie gedacht, dass dieses zentrale Fach ebenfalls für einen bestimmten Ort stand.
    Er schloss Henrys Zimmertüren und eilte die Dachbodentreppe hinab.
    Durch die offenen Fenster klang Dottys Stimme zu ihm. »Frank? Ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, rief er. »Komme gleich! Einen Augenblick noch!«
    Er hatte auch gar keine andere Wahl. Seine schwache Taschenlampe war dabei schlapp zu machen und im Haus wurde es von Sekunde zu Sekunde dunkler.
    Als er wieder in Großvaters Zimmer war, quetschte er seinen Körper in den Schrank. Die Maus war weg, und er konnte seine Fingerabdrücke erkennen.
    Er rutschte wieder hinaus und kauerte sich auf den Boden. Es mochte das Richtige sein. Oder auch das Falsche. Beides war möglich.
    Eine Gestalt erschien im Fenster.
    Frank fuhr herum und richtete sich auf. »Himmel, ich bin schon ganz nervös!«, sagte er und schluckte.
    Der Raggant sah ihn eindringlich an und blähte die Nüstern. Dann sah er zu Boden und ließ sich fallen. Ohne zu
zögern humpelte er zum Schrank, sprang hinein und verschwand.
    »Na bitte«, sagte Frank. »Dir traue ich mehr als mir.«
     
    Henry wachte auf. Er dehnte, reckte und streckte sich und ließ morgendliche Lebenskraft in seine Glieder strömen. Er fühlte sich gut. Sein Bett war wunderbar und sein noch leicht benebelter Sinn verriet ihm, dass er geträumt hatte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob es ein schöner Traum gewesen war. Aber es interessierte ihn auch nicht. Schön oder nicht schön – er war vorbei. Er atmete die warme Frühlingsluft tief ein, strampelte seine Decke beiseite und setzte sich auf.
    Als er so dasaß und seine Füße einen kalten Steinfußboden berührten, stutzte er.
    Er hatte keine Ahnung, wo er war. Außerdem hatte er ein Kleid an.
    Er befand sich in einem lang gezogenen Raum mit weißen Wänden, die sich weit hinauf zu einer schwarzen Balkendecke erstreckten. Die Wand, die Henry gegenüberlag, bestand gänzlich aus Fenstern, die aus dem Boden emporwuchsen und in hohen Bögen endeten. Sie standen allesamt offen. Durchsichtige Vorhänge wehten geisterhaft im Luftzug und goldenes Licht flutete durch sie hindurch. Das Bett, in dem Henry geschlafen hatte, war mindestens so groß wie sein ganzes Zimmer in

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