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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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selbst, und das wusste er. Er war nie ein guter Lügner gewesen. Er fühlte ein warmes Prickeln am Kopf, das von seiner Handfläche stammte. Henry senkte den Arm und betrachtete seine Wunde. Und jetzt sah er zu, wie das Brandmal wuchs und sich bewegte.
    Die Welt war gefährlich. Er konnte stark sein oder schwach. Ob in Kansas oder in Byzanthamum. Ein Löwenzahn hatte ihm hinter der Scheune ein Brandmal beigebracht und einen anderen aus ihm gemacht. Oder er war bereits ein anderer gewesen, und der Löwenzahn hatte ihn nur darauf aufmerksam
gemacht. Es gab keinen Ort, an den er sich vor seinen Fragen flüchten konnte. Wenn er jetzt wegging, und nicht wenigstens versuchte herauszufinden, was mit seinen Cousinen, seiner Tante und seinem Onkel und Richard und diesem ohnehin schon merkwürdigen Haus geschehen war, würde er sich selbst nicht mehr ins Gesicht sehen können.
    Henry war keiner, der aus Angst davonlief. Nicht mehr.
    Er fuhr sich mit der Zunge durch die Mundhöhle. Sie war trocken und pelzig. Er drehte sich um und ließ eine Rechtsanwältin und einen Polizisten hinter sich, die in eine Schlammpfütze guckten. Er ließ die Scheune und Kansas und Boston hinter sich. Und noch viel mehr.
    Aber jetzt hatte er Hunger. Er öffnete den Kühlschrank in der Küche und schloss ihn dann schnell wieder. Allzu viel war nicht darin, und das, was noch da war, begann erbärmlich zu stinken − mehr als das ganze restliche Haus. Er öffnete einige Schränke und kratzte ein paar Hände voll trockener Cornflakes vom Boden einer Schachtel. Dann nahm er ein Glas und ging zum Spülbecken, um sich etwas Wasser zu holen. Doch aus der Leitung kam kein einziger Tropfen.
    Er wusste genau, was er nicht tun wollte. Allerdings hatte er auch keine Ahnung, was er tun sollte. Unschlüssig ging er zurück ins Esszimmer und sah in die Wildnis vor den zerstörten Fensterscheiben hinaus. Wobei er auf seinen nackten Füßen nicht zu nah an die Fenster herantreten konnte. Er nahm eine Dose Thunfisch vom Tisch und sah sie sich an. Thunfisch klang ja nicht schlecht und der Dosenöffner war auch schon bereitgelegt. Die Vorderseiten der Gebrauchsanweisungen für einen Toaster und für einen Apfelschäler
waren vom Rest abgerissen worden und lagen unter den Dosen auf dem Tisch. Sie waren von Hand beschrieben, und die Schrift wand sich um den Text und um die Abbildungen herum.
    Henry setzte sich, zog die Zettel zu sich heran und begann zu lesen, während er eine Dose Thunfisch öffnete.
    Henry/Henrietta,
    wir (Frank, Dotty, Penny, Anastasia, Richard, Zeke und Kenneth Simmons) werden gleich durch die Pforte schlüpfen. Ihr beiden seid nicht da und ein Hexer hat auf der Suche nach Henry das ganze Haus verwüstet. Außerdem hat er es in eine andere Welt versetzt. Es gibt nichts mehr zu essen (wir haben euch etwas Thunfisch dagelassen) und kein Wasser (abgesehen vom Toilettenspülkasten in der ersten Etage). Wir wissen nicht, wohin sich der Hexer verzogen hat, aber hier ist er nicht mehr.
    Henry zog den Deckel der Fischdose auf und angelte sich mit Daumen und Zeigefinger das größte Stück heraus. Er konnte sich gut vorstellen, wer dieser Hexer war. Wer Ken Simmons war, wusste er hingegen nicht, und auch nicht, wie Zeke in diese Sache hineingeraten war.
    An den Kompass-Schlössern habe ich nichts verstellt, und ich hoffe, dass ihr dort, wo wir hinkommen, sein werdet. Wenn ihr hierher zurückkommt und dies lest, haben wir uns irgendwie verpasst. Sofern ihr beiden nicht zusammen seid, ist trotzdem noch nicht alles zu spät – dann wird vielleicht nur einer diesen Brief lesen. Einer von euch muss aber da sein, wo wir jetzt hingehen, und ich bete, dass
wir uns finden. Der oder die andere sitzt dann irgendwo fest und kann nicht mehr durch die Pforte. Wenn ihr aber irgendwie hierher zurückkommt, dann folgt uns. Die Knöpfe sind auf das mittlere Fach eingestellt (das mit den Kompass-Schlössern) und wir haben nichts daran verdreht. Sobald die anderen in Sicherheit sind und falls wir uns bis dahin nicht gefunden haben, komme ich wieder her und suche euch. Falls ihr irgendeinen anderen Weg zurück gefunden habt, wisst ihr jetzt, was passiert ist und wo wir sind. Wenn ihr durch die Pforte schlüpft und uns nicht findet, dann vertraut darauf, dass wir die ganze Zeit nach euch Ausschau halten und hoffen, an einem von zwei möglichen Orten zur Ruhe zu kommen: in Henry, in Kansas, oder in der Stadt Hylfing an der Deiranischen Küste, wo ich meine Kindheit verbracht

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