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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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die Stadt Henry, lag nicht Kansas.
    Henry trat langsam an das Fenster heran und vergaß alles andere. Ein Meer aus Gras erstreckte sich bis zum Horizont. Auf dem Hof stand ein Polizeiwagen und daneben hatte jemand ein Feuer gemacht. Ein zerbrochenes Stuhlbein ragte noch aus der schwarzen Stelle im heruntergebrannten Gras auf.
    Henry schloss die Augen und öffnete sie wieder. Alles war wie zuvor. Zutiefst verwundert und verblüfft sah er sich um
und vergaß dabei zu atmen. Als sein Körper ihn schließlich wieder dazu zwang, würgte und hustete er. Seine Knie zitterten und er setzte sich auf Großvaters Bett.
    So hatte er sich die Sache nicht vorgestellt. Er hatte gedacht, er wäre jetzt wieder zu Hause und würde Anastasia sagen, dass sie still sein solle, damit er seine Geschichte zu Ende erzählen konnte. Er hatte Penelope zum Lachen bringen und Henrietta mit seiner Flucht und seinem Sturz beeindrucken wollen. Tante Dotty hätte ihn drücken und Onkel Frank ihm auf die Schulter klopfen und etwas sagen sollen, das fast Sinn gehabt hätte. Er hätte Zeke anrufen und fragen wollen, wie es an diesem Tag mit Baseball aussah und vielleicht hätten sie sogar versucht, Richard etwas beizubringen.
    Aber sie waren alle irgendwo anders. Henrys Blick fiel auf den Schrank. Er glitt vom Bett, kauerte sich auf den Boden und schaltete die Taschenlampe ein. Die Rückseite des Faches war zu. Die Kompass-Einstellung führte nirgendwohin. Henry stand wieder auf. Vielleicht waren sie gar nicht weg? Vielleicht waren sie alle irgendwo.
    Vielleicht waren sie aber auch tot.
    Henry verdrängte seine Angst. Er weigerte sich, ihr nachzugeben. Er würde erst einmal nach unten gehen und dann nach draußen. Wenn sie hier waren, ob tot oder lebendig, würde er sie finden. Wenn sie nicht hier waren … tja, wenn sie nicht hier waren, wusste er auch nicht, was er tun sollte.
    Er stand auf und ging eilig aus dem Zimmer. Er wollte sich nicht nach unten schleichen. Er wollte laut rufen. Er wollte die Treppe hinabpoltern und seine Nerven mit gespielter Sicherheit beruhigen.

    Aber das fiel ihm nicht gerade leicht. Er donnerte die Treppe herunter und als er unten war, rief er, so laut er konnte.
    »Ist jemand hier? Onkel Frank, ist alles in Ordnung?«
    Henry durchquerte das Wohnzimmer. Sein Fuß trat auf etwas Schwammiges, das sich in den durchweichten Teppich drückte. Henry blieb stehen, sah nach unten und hob seinen Fuß. Es war ein Pilz. Im Wohnzimmerboden hatte sich ein Kreis aus Pilzen gebildet. Genau in der Mitte des Kreises spross ein dichtes Knäuel davon aus dem Teppich. Henry starrte das Knäuel an, aber das allein erklärte ihm auch nichts. Zudem gab es noch viel merkwürdigere Dinge als die Pilze im Wohnzimmer.
    Die Boden-Funghi sorgsam umrundend, ging Henry ins Esszimmer. Auf dem Tisch befanden sich vier Dosen Thunfisch und ein Dosenöffner.
    Henry stieß die Tür zum Fernsehzimmer auf, sah sich kurz darin um, kam wieder heraus und ging weiter zur Küche.
    »Tante Dotty?«
    Er lief zur Abstellkammer und riss die Hintertür auf.
    Sonnenlicht stach ihm in die Augen und Henry torkelte zurück. Er trat sich mit der Ferse auf die Zehen und setzte sich ungewollt heftig hin.
    Er sah in das frühmorgendliche Kansas. Das fette Gras, das darauf wartete, gemäht zu werden, erstreckte sich bis zur Scheune hinunter, die in ihrer roten, abblätternden Pracht dastand. Dahinter lagen die Felder mit dem reifenden Korn. Henry rappelte sich hoch und trat auf den Hof hinaus.
    »Onkel Frank?«, rief er. »Tante Dotty?«
    Er hörte nur das Zwitschern der Vögel und drehte sich wieder um.

    Fast wäre er erneut hingefallen. Das Haus war weg. Er stand am Rand eines großen Kraters, dessen Grund mit Wasser bedeckt war. Er war mit rot-weißem Absperrband umspannt. Unmittelbar vor ihm aber, in der Luft schwebend, hing die offene Tür zur Abstellkammer.
    Henry wollte auf keinen Fall, dass diese Tür zufiel.

DREIZEHNTES KAPITEL
    S ie haben doch hoffentlich vor, eine Fahndung einzuleiten. Wegen Entführung«, sagte die Frau.
    »Kann ich nicht genau sagen«, knurrte der Polizist und rutschte auf dem Fahrersitz hin und her. »Ich wüsste eigentlich nicht, warum.«
    Die Frau sah ihn wütend an. Der Polizist guckte einfach nur auf die Straße. Jetzt kam die Scheune der Willis’ in Sicht und das rot-weiße Band, das um den Krater gespannt war.
    »Sie haben widerrechtlich das Kind fremder Leute in ihre Gewalt gebracht.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Das ist eine

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