Fluch der 100 Pforten
losgezogen sind.«
»Das war gestern Abend«, entgegnete Henrietta. »Und jetzt müsste schon wieder Zeit zum Mittagessen sein.«
Eli sah in den Himmel und betrachtete die Sonne. »Noch nicht ganz. Aber vielleicht bekommst du morgen ein Mittagessen. Wenn wir jetzt endlich losgehen.«
Henrietta stand auf und pustete sich die Haare aus den Augen. Im Moment hätte sie sie am liebsten abgeschnitten. »Gut«, sagte sie. »Ich bin soweit. Wohin gehen wir?«
»Das werden wir schon herausfinden«, sagte Eli. Er drehte sich um und begann den Hang hinaufzusteigen.
Der Berg, der vor ihnen lag, war steil. An seinem Fuß wuchsen vereinzelt Bäume. Weiter oben aber standen sie dichter und wurden nur von ein paar großen Felsvorsprüngen unterbrochen, die hier und da hervorragten.
Im Gehen versuchte Henrietta ihre Beine auszuschütteln. Gleichzeitig ließ sie ihre Arme kreisen, um ihre Schultern zu lockern. »Wie meinst du das: wir werden es schon herausfinden? Wonach suchen wir denn überhaupt?«
»Wir suchen alte Zauberpforten«, antwortete Eli. »Diese Gebirgsausläufer entwickeln sich zu einer riesigen Gebirgskette, die sich über den gesamten Kontinent erstreckt. Früher
einmal waren diese Berge das Gebiet eines einzigen Zauberers. Ein Orden bildete sich um ihn herum und seine Mitglieder verteilten sich über den ganzen Gebirgszug, in die Höhen hinauf und bis hinunter in die Täler. Sie hatten den Verbindungsweg zwischen dem nördlichen und dem südlichen Meer unter Kontrolle und die Bewohner zu beiden Seiten konnten einander nicht besuchen, ohne Zoll für den Übergang zu zahlen. Die Zauberer bauten Festungen in die Berge und errichteten Türme auf den Gipfeln und verbanden dies alles durch Tore im Inneren der Felsen. Viele waren geheim, aber manche waren auch gut erkennbar. Und es sind durchaus nicht alle zerstört worden.«
»Und nach solch einem Tor suchen wir?«, fragte Henrietta.
»Ja«, bestätigte Eli. »Und zwar nach einem ganz bestimmten. Durch den man möglicherweise immer noch zur Küste gelangt. Ganz in der Nähe liegt in einer Höhle einer der alten Zugänge. Ich wollte ihn erkunden, während du geschlafen hast. Ein Tor führt weit in den Norden hinauf, wohin sich die Zauberer vor langer Zeit zurückgezogen haben. Aber ich kam nicht nahe genug heran. Darum müssen wir ein anderes Tor suchen.«
Henrietta atmete schwer. »Warum konntest du nicht nahe genug heran?«
Eli schwenkte nach links. Er begann den Hang in einer Diagonalen zu queren, zwischen Bäumen und Felsbrocken hindurch. Dann drehte er sich um und deutete zurück über den lang gezogenen Anstieg des Berges.
»Von hier aus kannst du den Hang unterhalb der Höhle sehen«, sagte er und setzte seinen Weg dann fort.
Henrietta sprang auf einen Felsbrocken und sah ins Tal hinab. Sie wusste zunächst nicht genau, wonach sie gucken sollte. Als sie die Stelle dann aber entdeckte, erkannte sie sie sofort. Im grünen Blätterdach der Bäume war ein orangefarbener Kreis zu sehen. In seinem Inneren waren die Blätter bleich und farblos, und im Zentrum waren die Bäume komplett grau. Unterhalb der Baumlinie zog sich eine breite Brandspur durch das hohe Gras. Henrietta wusste, dass Bauern manchmal ihre Felder abbrennen, aber sie erkannte sofort, dass hier kein Feuer gebrannt hatte. Dann wäre das Gras nämlich schwarz gewesen. Stattdessen war es grau und kürzer als das übrige Gras, verschrumpelt und trocken. Der sanfte Wind wirbelte Staub und Asche darüber.
Henrietta sprang von ihrem Felsbrocken und eilte Eli hinterher. »Was geht da vor sich?«, rief sie. »Hast du davon gesprochen? Vom Versickern des Lebens? Warum machst du die Tür nicht einfach zu?«
Eli blieb stehen und sah sie an. Sein Kopf glänzte vor Schweiß. Er nahm seine Brille ab und rieb sie an seinem Jackenärmel. »Wenn ich dieses Tor durchschreiten oder auch nur die Höhle betreten würde, dann wäre ich ganz schnell in Asche verwandelt − oder erst hindurchgesogen und danach in Asche verwandelt.«
»Wie konntest du mich nur so nahe dabei schlafen lassen!«
»Du hast auf einem Baum gesessen«, sagte Eli. »Bäume sind sehr stark. Wenn du auf dem Boden gelegen hättest, müsste ich dich jetzt tragen. Wobei ich das nicht getan hätte. Ich hätte dich einfach liegen lassen.«
Während sie lief, rutschten Henriettas Füße häufig ab. Sie
stützte sich auf Felsbrocken und klammerte sich an Bäume, um Eli wieder einzuholen.
»Trotzdem«, sagte sie heftig atmend, »finde ich, du
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