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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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niedrigeren Bergen, glaubte sie den Fluss sehen zu können.

    Sie lachte und freute sich und war stolz, dass sie es tatsächlich geschafft hatte und Eli keinen Grund mehr hatte zu spotten. Sie legte die Hände wie einen Trichter an den Mund.
    »Hallo, Eli!«, rief sie. »Wie ist es mit den Zauberern denn nun weitergegangen?«
    »Sie sind wie Nebel verflogen«, sagte eine leise Stimme, »und den Weg allen Fleisches gegangen.«
    Henrietta verlor das Gleichgewicht und wäre fast in die Eichen gefallen, die zu ihren Füßen wuchsen. Sie ruderte mit den Armen und sah zu der Stelle, wo der Fels in den Bergkamm überging. Auf dem Gipfel stand ein Mann. Er war größer als alle Männer, die sie jemals gesehen hatte. Er war riesig. Hinter ihm war nur noch der blaue Himmel zu sehen. Der Mann trug Lederhandschuhe. Mit einer Hand hielt er einen großen Bogen auf Hüfthöhe. Aus einem Köcher hinter seiner Schulter ragten Pfeile.
    Henrietta wandte sich um und rannte Hals über Kopf den Felsvorsprung zurück. Sie fiel. Weil der Boden mit einem Mal wieder ein wenig anstieg und ihre müden Beine nachgaben. Staub wirbelte auf und ein Stein drückte sich in ihre Rippen und presste ihr die Luft aus den Lungen.
    Starke Hände packten sie von hinten an den Schultern, und plötzlich stand sie wieder auf den Beinen. Sie wirbelte herum und versuchte, um sich zu treten, aber ihr Körper wurde rasch wieder nach vorn gedreht. Ein Arm glitt über ihren Kopf und ihre Schultern, sodass sie ihren Oberkörper nicht mehr bewegen konnte. Darum stampfte sie mit dem Fuß auf und traf einen Zeh, der in einem Stiefel steckte.
    »Sei friedlich, kleine Schwester«, flüsterte die Stimme in ihr
Ohr. »Sofern du nicht gefesselt werden willst.« Dann wurde die Stimme lauter. »Wo ist der kleine Fitz-Zauberer?«
    »Die Vögel verfolgen ihn«, antwortete eine andere Stimme. »Er läuft im Schutz der Bäume den Felskamm entlang.«
    »Folgt ihm. Und bringt ihn zur Quelle.«
    Eine Vielzahl von Pferdehufen donnerte hinter Henrietta davon. Auf eines der Pferde konnte sie aus dem Augenwinkel einen Blick erhaschen. Es war grau und schwarz gefleckt. Selbst wenn sie sich ganz aufrecht hingestellt hätte, hätte sie ihm nicht bis an die Schultern gereicht, und sie spürte das Beben des Bodens, als seine schweren Hufe vorbeidonnerten.
    Eli würde keine Chancen haben.
    Nachdem die Pferde weg waren, wurde sie unversehens herumgedreht. Sie sah in die Augen des großen Mannes. Sie lächelten und hatten eine merkwürdige Färbung: dunkelgrün mit hellblauen Rändern. Sein Gesicht war rau, aber glatt rasiert. Er hatte schwarze Haare. Eine Narbe an seiner linken Schläfe lief bis in die Kopfhaut hinauf, und an dieser Stelle war sein Haar grau durchsetzt. Der Mann ähnelte ein wenig Henriettas Vater. Oder doch nicht. Solche Angst hatte sie vor ihrem Vater nie gehabt.
    »Du bist ziemlich jung für eine solche Gesellschaft«, sagte der Mann. »Wie heißt du?«
    Henrietta wollte nicht antworten. Sie wollte den Augen dieses Fremden mit einem kalten Blick begegnen und nicht wegsehen. Aber es gelang ihr nicht, zu schweigen. Darum log sie.
    »Ich heiße Beatrice«, sagte sie.
    Der Mann zuckte mit keiner Wimper. Er beugte sich ein
wenig weiter vor und sah sie an, bis sie einen Hauch von Pfeffer in seinem Atem roch.
    »Der Name passt nicht zu dir«, stellte er fest. »Bist du eine Lügnerin?«
    »Nein!«, sagte Henrietta verächtlich.
    »Also, wie heißt du?«
    »Ich heiße Beatrice.«
    Der Mann sah sie unverwandt an. Dann sagte er noch einmal, ganz ruhig:
    »Wie heißt du?«
    Henriettas Nacken wurde langsam steif. Sie hätte gern nach unten oder nach oben oder sonst wohin geguckt. Aber er ließ sie nicht.
    »Henrietta Dorothy Willis«, sagte sie schließlich.
    »Und du wirst Henrietta gerufen?«
    Sie nickte.
    »Dann komm, Henrietta. Du reitest mit mir.« Er richtete sich auf, legte eine Hand auf ihre Schulter und führte sie an den Rand des Felsvorsprungs. »Du darfst mir keine Lügen mehr erzählen«, ermahnte er sie. »Dann werden wir uns verstehen.«
    Er pfiff, leise und scharf, und ein riesiges fuchsfarbenes Pferd kam langsam unterhalb des Felsvorsprungs hervor und blieb vor ihnen stehen.
    »Ich heiße Caleb«, sagte der Mann. »Und dies hier ist Chester.«

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    H enry hatte die Daumen unter die Riemen seines Rucksacks geschoben. Er stand auf der warmen Felsplatte und blinzelte in die Sonne. Sein Atem ging tief und gleichmäßig und Henry kostete jeden Zug aus.

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