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Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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meine Engelseele niemals standhalten.
    Ein gequälter Ausdruck verzerrte sein ebenmäßiges Gesicht. Doch ich war ihm so nah, dass ich viel mehr wahrnahm, als seinen Schmerz, weil ich ihn zurückgewiesen hatte. Ich konnte Raffaels Wesen spüren. Es war hell wie das eines Engels und dennoch voller Dunkelheit. Sanctifers Fluch hatte sich wie ein Schatten auf Raffaels Seele gelegt. Raffael glaubte, dass der Fluch sie zerstören würde, und wollte sterben, bevor er zu etwas Bösem wurde – und genau das stachelte meinen Kampfgeist an. Wenn es mir gelang, nur die Dunkelheit von Raffaels Seele zu nehmen, würde er überleben, frei sein und später eine Chance haben, unversehrt das Reich der Totenwächter zu passieren.
    Erneut legte ich meine Arme um Raffaels Hals und küsste ihn. Wie ein abgrundtiefer Strudel schlang sich Sanctifers Fluch um meine Engelseele. Nur meine dämonische Seite blieb unberührt – denn die gierte nach der diabolischen Macht der zersplitterten Seelen. Ich wusste, dass ich sie loslassen musste, und schaffte es dennoch nicht, sie freizugeben. Durchdrungen von bösartigen Gefühlen nahm ich alles in mich auf, was Sanctifer in Raffael verankert hatte.
    Raffaels Augen verdunkelten sich. Seine Lebensenergie verblasste. Sie war schon zu tief mit der Finsternis verwoben, die Sanctifer in ihn gepflanzt hatte. Seine diabolische Hülle zu verlieren riss ein tödliches Loch in Raffaels menschlichen Körper. Er wusste, dass er sterben würde, weil er die Maske getragen hatte – nur ich hatte das nicht sehen wollen.
    Tränen brannten in meinen Augen. Ich drängte sie zurück. Raffael sollte nicht in ein tränenüberströmtes Gesicht schauen, wenn sein Leben erlosch. Doch anstatt eines matten Schimmers zog ein Leuchten über sein Gesicht. Die Last der geknebelten Engelseelen wog schwer. Jetzt, im Augenblick seines Todes, war er endlich frei.
    Rote Schlieren tanzten vor meinen Augen, als Raffaels Herz aufhörte zu schlagen. Sanctifers Engel würden mir gehören, wenn ich den dunklen Teil ihrer Seelen behielt – und meine Engelseele an ihrer Grausamkeit ersticken!
    Mein Schatten wehrte sich erbittert, als ich versuchte, sie freizugeben. Wütend zwang er meine Klauen hervor. Doch der Engel in mir war stärker, kämpfte den Schatten zurück und entließ die dunkle Energie der zerrissenen Engelseelen. Und obwohl ich sie nicht sehen konnte, fühlte ich jede Einzelne. Wie ein Strom, gewoben aus Himmelslichtern, umkreisten sie mich, bis die letzte Seele befreit war und ich mit Raffael in den Armen zu Boden sank.
    Es dauerte lange, bis ich meine Gefühle wieder im Griff hatte. Und es kostete mich viel von der wenigen Kraft, die mir noch geblieben war, um mit Raffaels leblosem Körper auf den Balkon zu treten. Blau lodernde Flammen leckten den Glockenturm empor, und ich wollte nicht, dass sein Körper in ihnen verbrannte. Auch wenn es nicht viel war, was ich noch für ihn tun konnte, wenigstens Raffaels sterbliche Hülle wollte ich in Sicherheit bringen.
    Trotz gigantischer Racheengelschwingen fiel ich mit meiner Last wie ein Stein in die Tiefe. Auf halber Höhe gelang es mir endlich, meine Flügel in die richtige Position zu bringen, um den Fall abzubremsen. Dennoch schaffte ich es weder aufs Dach noch auf den Balkon, sondern schlug hart vor dem Eingang der Basilika auf.Immerhin ging ich nur in die Knie und schleifte nicht – wie bei meinem letzten Flug vom Campanile – mit meinen Flügeln am Boden entlang.
    Raffaels Körper lag schwer in meinen Armen. Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich, aufzustehen. Der Kampf auf den Plätzen vor der Markuskirche und dem Dogenpalast hatte an Intensität, nicht aber an Grausamkeit verloren. Markerschütterndes Gebrüll, abgetrennte Flügel, tote Engel, dunkle ebenso viele wie andere. Doch inzwischen kämpften Sanctifers Geschöpfe nicht mehr nur mit-, sondern auch gegeneinander. Zerfleischten ihre dunklen Herzen, wie ich es in Sanctifers Palast miterlebt hatte.
    Ich wollte die Augen verschließen. Doch ich zwang mich, hinzusehen und mir dieses entsetzliche Bild einzuprägen. Nie wieder sollte so etwas geschehen. Es war wichtig, dass ich das nicht vergaß.
    Noch bevor ich die Basilika erreichte, eilte mir Aron mit ein paar von Coelestins Engeln entgegen. Ich schüttelte den Kopf, als er anbot, mir Raffael abzunehmen – sprechen konnte ich nicht. Ungeweinte Tränen schnürten mir die Kehle zu.
    Aron spürte, dass ich ein wenig Zeit brauchte, bevor ich ihm erklären konnte,

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