Fluch der Engel: Roman (German Edition)
deine Flügel nicht nass werden, wenn es regnet.«
In schnellen Kreisen segelte Christopher nach unten. Über dem Dach der Basilika hielt er kurz inne. »Halt dich fest, und achte auf meine Flügelstellung, wenn wir landen.«
Ich befolgte Christophers Anweisung, verstärkte meinen Klammergriff und imitierte seine Bewegungen. Ein leiser Seufzer drang aus seiner Kehle, doch ehe ich meinen Griff um Christophers Hals lockern konnte, berührten seine Beine auch schon das Dach der Kirche.
Keine Sekunde später hatte er sich aus meinem Würgegriff befreit und mich zu sich umgedreht. Seine Augen leuchteten, als er mich in seine Arme zog und meinen bebenden Mund mit seinen Lippen verschloss.
Himmel und Hölle vereinte sich in diesem Kuss. Sein Wunsch, mich für alle Ewigkeit festzuhalten, kämpfte gegen sein Wissen. Auch wenn unser Flug in völligem Gleichklang geendet hatte, unsere Wesen waren es nicht. Meine Engelseele konnte seiner Stärke nichts entgegensetzen. Rasend schnell entzog er mir das bisschen Engelsmagie, das noch in mir steckte, obwohl seine Lippen meine nur kurz berührten.
Berauscht von dem gemeinsamen Flug oder der Tatsache, jetzt selbst ein Racheengel zu sein, schlang ich meine Arme um Christophers Nacken, zog ihn zurück und presste meine Lippen auf seine. Der betörende Geschmack nach Sommergewitter beflügelte mich. Er hatte mich noch nicht oft in seiner Engelsgestalt geküsst. Und jedes Mal glaubte ich, den Boden unter den Füßen zu verlieren.Aber das war nichts im Vergleich zu diesem Kuss. Stürmisch drängte ich weiter – und fiel in tiefste Dunkelheit.
Wenn Christopher sich nicht gewaltsam von mir gelöst hätte, wäre mir das Erscheinen der golddurchwirkten Flügel entgangen. Majestätisch erhoben sich die riesigen Schwingen über den Kuppeln der Basilika. Bernsteinfarbene Blitze zuckten durch sie hindurch und verliehen ihnen einen warmen Schimmer. Doch aus Erfahrung wusste ich, dass diese Sanftheit nur vorgegaukelt war. Ebenso wie die goldfarbenen Augen weder Wärme noch Sicherheit vermittelten.
»Wie interessant. Endlich erfahre ich, warum dir so viel an ihr liegt.« Zwanzig Schritte von uns entfernt landete Goldauge, der Racheengel aus der Basilika.
Christopher schob mich hinter sich. Obwohl ich mich kaum auf den Beinen halten konnte, da ich beinahe meine gesamten Engelskräfte an ihn verloren hatte, kämpfte ich mich zurück – zumindest so weit, dass ich Goldauge sehen konnte.
»Solltest du nicht in der Basilika bleiben, Nagual?«, fragte Christopher.
»Und du nicht an der Seite der Dogin? Ein zweiter Affront innerhalb so kurzer Zeit. Wenn du nicht aufpasst, verlierst du ihre Gunst.«
»Gunst? Du solltest wissen, dass ihre Beziehung zu mir nicht auf Gunst beruht.«
Ich schluckte und verdrängte die Frage, wie Christopher zur Dogin stand. Nagual hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt, vermutlich, um seine Friedfertigkeit zu demonstrieren. Doch ich traute ihm nicht – und Christopher ebenso wenig. Seine angespannte Körperhaltung verriet, dass er in den Kampfmodus gewechselt hatte.
»Und du solltest wissen, dass dein Flugmanöver vor dem offiziellen Start nicht gerade dazu beiträgt, ihr Vertrauen in uns zu stärken. Aber nach dem, was ich gerade gesehen habe, scheint dir ihre Unterstützung wohl nicht mehr allzu wichtig zu sein. Anscheinendhabe ich dich und deine Motive bislang unterschätzt. Weiß sie, was du mit ihr anstellst?« – Mit sie meinte Goldauge mich.
Mutig trat ich aus dem Schatten von Christophers Flügeln und versuchte, meine eigenen so weit wie möglich abzuspreizen – um Eindruck zu schinden. Dass sie weder gülden noch blitzdurchzuckt, sondern rosarot schimmerten, konnte ich leider nicht ändern.
» Ich habe ihn geküsst, nicht er mich«, verteidigte ich Christopher.
»Und du warst es auch, der dir deine Engelsstärke entzogen hat.« Nagual trug noch immer den schwarzen Mantel, der in einem eleganten Bogen zurückschwang, als er auf mich zuging. »Dann hast du sicher nichts dagegen, mich auch ein wenig davon kosten zu lassen.«
Christophers leuchtendes Engelschwert blitzte auf. Eine goldfunkelnde Waffe stellte sich ihm entgegen.
»Du solltest jetzt besser in die Basilika zurückkehren«, warnte er Nagual. Seine grollende Stimme verriet, dass Christopher sein Gegenüber angreifen würde, falls Nagual auch nur einen weiteren Schritt in meine Richtung machen würde. Offenbar fachte der Energieschub, den Christopher von mir erhalten hatte, nicht
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