Fluch der Engel: Roman (German Edition)
auseinander. Smaragdgrüne Augen begrüßten mich mit unendlicher Zärtlichkeit.
»Was tust du hier?!« Als läge ich auf einem Kaktus und nicht in Christophers Armen, saß ich keinen Lidschlag später senkrecht im Bett.
»Ist es dir lieber, wenn ich wieder gehe?«, fragte Christopher ruhig.
»Ja! … Nein. … Doch! Wenn Nagual herausfindet, dass du hier bist, dann …«
»Das wird er, früher oder später.« Völlig relaxed bestätigte Christopher meine schlimmste Befürchtung.
»Nicht, solange ich das verhindern kann. Geh! Sofort!« Es fiel mir genauso schwer, das zu sagen, wie von Christopher wegzurutschen. Ich kam nicht weit. Seine Arme holten mich zurück.
»Nagual wird gar nichts tun, wenn er herausfindet, dass ich bei dir bin.«
»Und weshalb bist du dir da so sicher?« Christopher klang viel zu selbstgefällig.
»Zum einen, weil es richtig ist, einem bibbernden Racheengel beizustehen. Zum anderen, weil er auf diese Welt keinen Zugriff hat. Weder er noch die Dogin oder sonst ein Mitglied des Rats. Und das bedeutet«, Christopher unterbrach seine Erklärungen mit einem sanften Kuss auf meine Schläfe, »dass ich dich zwar nicht ungestraft im Schloss der Engel in die Arme nehmen darf, hier auf dem Internat aber schon.«
Ein weiterer Kuss, ein wenig dichter bei meinem Mund, folgte. »Was allerdings das Fliegenlernen zu einem kleinen Problem werden lässt, weil es einem Engel, der seine Flügel behalten möchte, strengstens verboten ist, sie einem ahnungslosen Menschen zu zeigen.«
»Dann wird Aron das wohl übernehmen müssen – und das, nachdem du dir so viel Mühe gegeben hast, mir deine Flugkünste zu demonstrieren.« Ich wollte einen Scherz machen, doch Christophers Miene verdunkelte sich für den Bruchteil einer Sekunde. Schließlich wanderten seine Lippen näher zu meinem Mund.
»Das Vergnügen, zuzusehen, wie du fliegen lernst, werde ich nicht auch noch Aron überlassen. Er verbringt sowieso schon viel zu viel Zeit mit dir.«
Hörte ich da einen Anflug von Eifersucht? Wohl kaum. Aron hatte das letzte halbe Jahr mit mir trainiert, ohne dass Christopher sich je beschwert hätte.
»Also wieder nächtlicher Flugunterricht«, mutmaßte ich – und Schlafentzug. Aber vielleicht hatte Aron ja ein Einsehen und befreite mich vom Abitur – für einen Engel gab es sicher Wichtigeres zu lernen als Mathe und Co.
»Für dein Flugtraining habe ich mir etwas Besonderes ausgedacht – an den Wochenenden, damit du genügend Schlaf bekommst, während du dich auf dein Abitur vorbereitest.«
Also doch ein Engel mit Abi! Ich seufzte innerlich. Christopher bemerkte es dennoch.
»Was bereitet dir Kopfzerbrechen? Dass ich dir das Fliegen beibringen will oder deine Abiturprüfungen?«
»Beides«, neckte ich ihn. »Ein Vorbild wie dich als Fluglehrer zu haben wird frustrierend sein, weil ich niemals so gut fliegen werde wie du.«
»Das wirst du, wenn du ein paar hundert Jahre geduldig übst«, antwortete Christopher, während seine Lippen vorsichtig über mein Gesicht wanderten. Gekonnt dosierte er die Zärtlichkeit seiner Küsse, damit ich nicht das Bewusstsein verlor. Ein anderer Störfaktor funkte dazwischen.
Nach einem kurzen Klopfen öffnete Marisa, beladen mit einem Frühstückstablett, die Tür und stürmte mit Juliane und Raffael im Schlepptau in mein Zimmer. Wir hatten gerade noch Zeit, ein wenig auf Abstand zu gehen.
»Ich hab gehört, dich fesselt eine Gripp…« Weiter kam Marisa nicht. Mit offenem Mund starrte sie uns an. »Ich … Oh … Es … Wenn ich gewusst hätte, dass du nicht allein bist, wäre ich später – soll ich später wiederkommen?«, fand sie halbwegs die richtigen Worte.
»Nein, bleib ruhig«, antwortete Christopher an meiner Stelle, als er der erstarrten Marisa das Tablett abnahm, um es neben mir auf dem Bett abzustellen. »Es ist sehr aufmerksam von dir, dass du an Lynn denkst und ihr etwas zu essen bringst.«
»Damit sie wieder zu Kräften kommt«, mischte Raffael sich ein. »So eine Grippe kann ganz schön an die Substanz gehen. Wenn duPech hast und sie sich auf deine inneren Organe legt, kann sich eine heimtückische Krankheit daraus entwickeln.«
Marisa und Juliane warfen Raffael einen irritierten Blick zu. Natürlich konnten sie die Anspielung auf mein dämonisches Erbe nicht nachvollziehen.
»Das glaube ich kaum«, erwiderte ich spitz. »Es ist nur eine kleine Erkältung. Ein leichtes Kratzen im Hals, das sich mit ein wenig heißer Schokolade vertreiben lässt.
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