Fluch der Engel: Roman (German Edition)
verantwortlich. Und wenn das hieß, ein Jahr lang Sanctifers Grausamkeiten zu ertragen, würde ich das tun. Besser ich als Christopher. Denn so schwer es mir auch fiel, ein Geheimnis vor ihm zu verbergen, ihn einweihen konnte ich nicht. Nicht, nachdem er geschworen hatte, um mich zu kämpfen – weil ihm genau das zum Verhängnis werden würde.
Also blieb nur noch Aron. Allerdings hielt ich es für einen denkbar schlechten Zeitpunkt, mich ihm so kurz nach meinem Ausraster anzuvertrauen.
Aber was, wenn er genau das erwartete? Er hatte mich sicher nicht umsonst gebeten, ihm mehr Vertrauen zu schenken. Doch würde er auch dichthalten und mein Geheimnis vor Christopher verbergen?
»Plötzlich so schweigsam?«, holte Aron meine Aufmerksamkeit zurück. Als ich nur mit den Schultern zuckte, vertieften sich seine Stirnfalten. Schließlich wechselte er das Thema. »Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, dich vor den Augen der MächtigenVenedigs zwischen zwei wütende Racheengel zu stellen?!« Es war kein Vorwurf, dennoch keimte ein übler Verdacht in mir auf.
»Haben sie deshalb das Gesetz erlassen?«
Meine Frage gefiel Aron nicht besonders. Er sah zum Dachfenster hinaus, als er antwortete. »Du hast mehr Durcheinander angerichtet, als wenn du die beiden ihren Streit hättest austragen lassen. Allein die Tatsache, dass ihr euch nicht die Köpfe einschlagt, sondern Christopher lieber mit dir tanzt, als gegen dich zu kämpfen, hat einige im Rat beunruhigt. Doch dass du den gefährlichsten und den ältesten Racheengel zur Besinnung gebracht hast, ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen, hat auch den Rest der Ratsmitglieder davon überzeugt, dass es gefährlich sein könnte, euch zu viel Freiheiten zu lassen.«
Ein Fausthieb hätte nicht schmerzhafter sein können. Tränen brannten in meinen Augen. Meinetwegen durften Christopher und ich uns nicht mehr sehen!
Niedergeschlagen zog ich die Decke enger um meinen zitternden Körper und hoffte, dass Aron mich in Ruhe lassen würde.
Er war gnädig und schickte mich ins Internat zurück. Noch ehe die ersten Schüler aus ihren Träumen erwachten, saß ich dick eingehüllt in meine Zudecke auf dem Bett und starrte aus dem Dachfenster in den grauen Winterhimmel. Laut Aron hatte ich mir eine leichte Grippe eingefangen und sollte auf meinem Zimmer bleiben.
Eine Träne rollte mir übers Gesicht. Wütend wischte ich sie fort. Meine Reue kam zu spät. Hätte ich auf Christopher gehört und mich hinter seinem Rücken versteckt, wäre meine Welt noch in Ordnung. Andererseits wusste ich, dass ich wieder genau dasselbe tun würde, falls ich noch einmal vor der Wahl stand, Christopher vor dem Schwert eines Engels zu beschützen.
Müde und völlig ausgekühlt, dank der traumreichen Nacht und des kräftezehrenden Ringens mit meinem dämonischen Erbe, zog ich die Beine dichter an meinen Körper und schloss die Augen.Christopher fehlte mir schon jetzt. Wie sollte ich ohne ihn in der Welt der Engel überleben?
Mein Traum führte mich zu ihm. Er lag neben mir, wärmte mich mit seinem Duft und seiner Gegenwart. Kein bestialischer Kuss, keine quälende Umarmung. Dieses Mal hielt er mich nur fest, weil er befürchtete, ich könnte ihm verlorengehen.
»Ich werde nicht zulassen, dass sie dich mir wegnehmen«, flüsterte er leise. »Wir werden einen Weg finden, wie wir zusammen sein können – auch in unserer Welt.«
Ich drückte mich dichter an Christophers schützenden Körper. Obwohl es nur ein Traum war, tröstete mich seine fiktive Nähe.
Und bis dahin wirst du mich nur in meinen Träumen küssen , antwortete ich meinem Traumengel. Ich erwartete einen endlosen Kuss, da ich im Schlaf ja wohl kaum in Ohnmacht fallen konnte – aber es kam keiner.
»Küss mich«, murmelte ich schlaftrunken. Vielleicht reichte der bloße Gedanke nicht aus, damit Christopher verstand, was ich von ihm wollte – beim Mentaltraining und Geistöffnen war ich nicht gerade eine Leuchte.
»Später, wenn du wach bist«, antwortete mein Traum.
Wenn ich wach war?! Irgendetwas stimmte hier nicht. Dass meine Gestalten in meinen Träumen zu mir sprachen, war nicht ungewöhnlich. Doch dass sie wollten, dass ich aufwachte? Äußerst merkwürdig. Und dass sie mich wärmten, atmeten und mich vertrösteten? Sehr ungewöhnlich. Auch einen Herzschlag hatte ich bislang bei keiner meiner Traumgestalten hören oder gar fühlen können.
Obwohl sich meine Lider anfühlten, als wären sie zusammengeklebt, zwang ich sie
Weitere Kostenlose Bücher