Fluch der Engel: Roman (German Edition)
samtbezogenen Ruhekissen möblierten Kursraumsgestellt hatte. Ich ahnte, was er vorhatte, und wurde von Minute zu Minute nervöser. Eine Begegnung mit der Totenwächterin gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingstreffen. Auch wenn ich mit heiler Haut ihrem Reich entkommen war, hatte der Besuch in ihrer wunderschönen seelenlosen Welt dennoch Spuren hinterlassen. Ihr als prüfungserprobte Racheengelnovizin entgegenzutreten änderte daran nichts.
»Lynn«, Aron kam zu mir und legte beruhigend eine Hand auf meine Schulter. »Bei einem Angriff der Totenwächterin kann ich mir sicher sein, dass du dich gegen sie wehren wirst. Außerdem gehört in Träume einzudringen zu ihrem Spezialgebiet.«
Neben Seelenquälen , ergänzte ich im Stillen. Die Totenwächterin war skrupellos und würde sich die Chance, den Verlust meiner sichergeglaubten Seele rächen zu können, nicht entgehen lassen. Aron wusste das. Allerdings hinderte ihn das nicht daran, mich ihr auf dem silbernen Tablett zu präsentieren.
»Trink!« Aron hielt mir den dampfenden, dunkelroten Tee unter die Nase, der beim Schlafkundeunterricht benutzt wurde, um Schüler ins Land der Träume zu schicken. Der penetrant süße Geruch drehte mir den Magen um, der erste Schluck brachte mich zum Würgen. Trotzdem schluckte ich das widerliche Gebräu. Aron war nicht nur mein Tutor, sondern auch ein Freund, auf den ich mich verlassen konnte. Dass mir die Tasse aus den Händen glitt, er meinen kollabierenden Körper auffing und mich auf das Schlafkissen bettete, bekam ich kaum noch mit. Mein Albtraum begann, als Paul mit einer Feuerkugel das Prisma zum Leben erweckte und schwarzer Rauch aus der Spitze hervorquoll.
Dir so schnell noch einmal Auge in Auge gegenüberstehen zu können, damit habe ich nicht gerechnet. Die markante Stimme der ganz in Schwarz gekleideten Totenwächterin zog mich magisch an. Der Racheengel mit den grünen Augen hat mir gedroht, mich in Brand zu setzen und mir den Kopf abzuschlagen, falls ich jemals wieder versuchen sollte, in deine Träume einzudringen. Sicher wird er das jetzt mit Aron tun – schließlich habe ich mich an das Abkommen gehalten, bevordein Tutor mich hierhergerufen hat. Aber um genau zu sein, war es ja nicht Aron, sondern dein kleiner Freund da drüben.
Während ich begriff, von wem sie sprach, hefteten sich ihre tiefschwarzen Augen auf Paul. Die dunklen Haare der trügerisch schönen Frau lockten sich verführerisch um ihren Körper. Wie eine Sirene, die ihre Opfer ins Unheil sang, zog sie ihn mit ihrem magischen Blick zu sich.
Meine Reaktionszeit beim Aufwachen war rekordverdächtig. Bevor Paul ihr auch nur nahe kommen konnte, durchbrach ich die Schutzlinien. Kalter Nebel umfing mich, schlüpfte in jede Pore. Eisige Finger gierten nach meiner Seele, raubten alles Schöne und hinterließen tiefste Dunkelheit.
Ein Sirren. Feuer. Aufwallender Rauch. Eine Windhose, die den Körper der Totenwächterin umschlang und in das erlöschende Prisma zurückzog. Mit einer Armbrust bewaffnet stand Paul noch an derselben Stelle, an der er es entzündet hatte.
Meine Knie gaben nach. Arons Arme bewahrten mich vor dem harten Boden. Nach Halt suchend klammerte ich mich an ihm fest. Die Kälte war voller Schatten.
»Lass die Dunkelheit los«, befahl Aron mit seiner ruhigen Therapeutenstimme. »Sie überdeckt das Licht. Es ist noch in dir, auch wenn du glaubst, es verloren zu haben.« Arons Anweisung hörte sich einfach an, war es aber nicht. »Lynn, vertrau mir. In dir steckt viel mehr, als du glaubst.«
Da war es wieder, das Vertrauen, das er einforderte. Aron baute darauf. Und auf meine innere Stärke. Immerhin hatte ich vor kurzem ein paar dämonische Monster besiegt, ohne selbst eines zu werden.
Die Kälte löste sich nur langsam. Aron sprach weiterhin beruhigend auf mich ein. Schließlich war ich so weit, das, was gerade eben passiert war, zusammenzupuzzeln: Aron war sich der Gefahr bei seinem kleinen Experiment bewusst gewesen – auch dass ich zum Monster hätte mutieren können. Er kannte nicht nur meine lichte, sondern auch meine dunkle Seite. Paul allerdings nicht!
»Du scheinheiliger Idiot von einem Engel!«, herrschte ich Aron an und stieß ihn von mir weg. »Wie konntest du das zulassen und Paul der Gefahr aussetzen …«
»Komm runter, Lynn! Es ist nichts passiert.« Wieder einmal schnitt Aron mir das Wort ab. Offenbar wollte er nicht, dass ich vor Paul aussprach, welches Monster in mir steckte.
»Hast du von dem Schlaftee
Weitere Kostenlose Bücher