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Fluch der Hestande

Fluch der Hestande

Titel: Fluch der Hestande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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durch eine verfallene Säulenallee, bei der Mythor einen ersten Eindruck vom Aussehen der Aegyr bekam, denn dort, wo die Säulen noch standen, zierten sie Skulpturen von Männern und Frauen – die Männer muskulös und kraftvoll in Herrschaftsposen, die Frauen üppig wie die Kruukfrauen, doch mit feingeschnittenen Zügen und von vornehmem Wesen, wie die Haltung verriet.
    Die Allee endete vor dem Eingang des eigentlichen Schlosses Hestandes te Jegy. Die großen Quader hatten der Natur und der Zeit besser widerstanden als die Gutsmauern und Gesindehäuser.
    Sie schleppten sich in die große Halle, in die durch hohe, ovale Fensteröffnungen graues Licht fiel, das nicht viel erkennen ließ, außer daß alles kahl und leer war.
    Es war ein wundervolles Bauwerk mit steinernen Balkonen auf schlanken Säulen rings um die Halle. Reste hölzerner Balustraden waren noch zu sehen. Breite steinerne Tafeln standen unter den Balkonen über die ganze Länge der Halle. Hundert oder mehr Gäste mochten hier einst gespeist und getrunken haben bei Hestandes Festen.
    Steinerne Treppen führten in das obere Stockwerk. Ein einstmals schweres, nun morsches und brüchiges Balkentor führte in einen Garten, den die wilde Natur erobert hatte. Breite steinerne Wege hatten einst wohl zum Lustwandeln eingeladen, nun waren sie überwuchert von blühenden Heckenrosen und großen feuriggelben Blumen, deren hohe schlanke Stiele im Dornengestrüpp Halt fanden. Ein von Seerosen bedeckter, steinumrandeter Teich war der Mittelpunkt des Schloßgartens. Daran schloß sich ein rundes Sommerhaus aus grau gewordenem Marmor und rostzerfressenen Gittern. Efeu umwucherte es bis über das Kuppeldach.
    »Das ist es«, sagte Fryll. »Dort in diesem Tempel ist Hestandes Kelch der Erinnerung.« Er ließ sich ächzend auf die Steinstufen sinken. Raegeseder folgte seinem Beispiel, wenn auch stumm.
    Mythor sah, daß Raegeseder durchscheinend war.
    »Ist dein Freund wirklich?« fragte er Fryll.
    »Wie man’s nimmt«, erwiderte der Schrat seufzend. »Er hat viel Kraft verloren, sonst wäre er so anfaßbar wie ich. Wir müssen bald zu unserem Baum zurück. Nur dort kann Raegeseder neue Kräfte schöpfen.«
    »Was ist er? Ein Teil des Baumes?«
    »Ja. Vielleicht seine Seele. Ich habe ihr die Beweglichkeit gegeben, die sie immer ersehnt hat… mit einem alten Zauber. Es war meine beste Magie«, erklärte er nicht ohne Stolz. »Niemand sonst vermag es. Aber es liegt Gefahr in der Beweglichkeit. Als die Kruuks ihn raubten… sie haben ihn wohl für einen Schrat gehalten und wollten sich seiner Zauberkräfte bedienen… da nahm er bald ihre Gestalt an und wurde zu einem Kruuk. Er wußte nichts mehr von mir oder dem Baum. Doch ohne den Baum ist sein Leben nur kurz, denn der Baum gibt ihm die Kraft, die er braucht, um bestehen zu bleiben, wie mein Zauber es bestimmt hat. Ich war sicher, daß er seinen Meister wiedererkennen würde. Jetzt werden wir bald zurückkehren, und er wird wieder eins werden mit dem Baum, bis ihn eines Tages das Verlangen zu wandeln wieder überkommt. Es ist eine Sehnsucht in allen Pflanzen.« Er schlang liebevoll den Arm um sein durchscheinendes Ebenbild. »Es war sehr einsam ohne seine wunderschönen Träume von den alten Zeiten.«
    Fryll erhob sich wieder, und Raegeseder folgte ihm. »Wir wollen sehen, ob wir etwas zu essen finden. Geh allein zu Hestande. Aber sei gewarnt. Es heißt, daß mancher, der von ihren Tränen der Wahrheit trank, sich selbst ein Ende machte, weil er diese Wahrheit nicht ertragen konnte. Es mögen nur Legenden sein, aber eine Magie, die man nicht versteht, sollte man fürchten. Ich fürchte die Magie der Aegyr, auch wenn sie keine Magie der Finsternis ist. Doch bevor dich die Tollkühnheit überkommt, aus diesem Kelch zu trinken, laß uns zusammensitzen und beraten und einen neuen Plan schmieden, um deine Gefährtin und Garnoth aus den Händen der grünen Barbaren zu befreien.«
*
    Mythor war von unbändiger Neugier erfüllt, als er den Teich umrundete und den efeuverwachsenen Pavillon erreichte.
    Er vergaß die Vorsicht nicht, doch die mögliche Gefahr kümmerte ihn nicht sehr. In seinen Augen hatte er nicht viel zu verlieren, aber viel zu gewinnen.
    Stufen führten hinauf zum Eingang, hinter dem stille Dunkelheit mit unvorstellbaren Wahrheiten lockte.
    Auf den Stufen lag ein Toter. Er mußte bereits lange liegen, denn das Fleisch war verwest. Es gab keine Kleider und keine Spuren. Der Größe nach hätte es auch ein Kruuk

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