Fluch der Hestande
festzustellen, wie gut er damit war, und das Ergebnis hatte ihn erstaunt.
Sie erreichten unvermittelt eine alte Steinmauer, die zu den Anlagen von Rithumon gehören mußte. Wie hoch sie war, ließ sich nicht feststellen, da sie in doppelter Manneshöhe im Nebel verschwand. Doch nach wenigen Schritten lag sie bis zum Boden herab in Trümmern.
»Unser Wurf?« fragte Fryll schaudernd.
Mythor nickte. »Ein guter. Aber die Mauer wäre auch so bald zusammengefallen.«
Das Kruukdorf mußte direkt vor ihnen sein.
»Wie weit ist der Kral von der Mauer entfernt?«
»Die Palisaden beginnen direkt an der Mauer, wenn ich mich recht erinnere«, erklärte Fryll.
»Dann werden wir hochklettern.«
»Das ist menschlicher Wahnsinn«, sagte Fryll. »Bei diesem Nebel und all den losen Steinen werden wir uns beide den Hals brechen, und die Kruuks werden einen großen Sieg feiern können, zu dem sie gar nichts beigetragen haben.«
Mythor verbiß sich ein Grinsen. Er begann hochzuklettern, und der Schrat folgte ihm widerwillig, zusätzlich entmutigt durch herabfallende Steine und herabrieselnden Sand, der sich unter Mythors Schuhen löste.
Oben angekommen, erschien Mythor seine Absicht doch etwas gewagt. Er schätzte die Mauer gut dreimannhoch. Sie war kaum zwei Schritt breit und es schien oben keinen festen Stein mehr zu geben.
Aber der Nebel war nicht mehr so dicht wie unten am Boden. Mit einiger Vorsicht konnte man schon vorwärtskommen – selbst mit einem lästernden Schrat hinter sich.
Zudem glaubte er flackernden Lichtschimmer nicht weit vor sich zu sehen. Nach wenigen Schritten wurden drei, dann vier, fünf, ein halbes Dutzend flackernder Lichtpunkte sichtbar, die sich recht ziellos bewegten.
Fackeln.
Kehlige Stimmen drangen direkt von unterhalb der Mauer herauf, männliche und weibliche.
»Verstehst du, was sie reden?«
Fryll schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich glaube, daß sie ihr barbarisches Geschnatter selbst nicht verstehen.«
Dicht neben der Mauer ragten spitze Pfähle hoch und verliefen in rechtem Winkel von der Mauer weg.
»Die Palisade«, flüsterte Mythor. »Jetzt sind wir im Dorf. Einen besseren Weg hätten wir nicht finden können. Wir brauchen nur eine Abstiegsmöglichkeit.«
»Und bald«, nörgelte Fryll. »Der Nebel bleibt nicht mehr lange so dick. Dann hocken wir hier wie die Zielscheiben.«
»Ich hätte nichts dagegen, ein wenig mehr zu sehen«, brummte Mythor. »Das Dorf wimmelt noch immer von Kruuks. Wann wird der Nebel sich lichten?«
»Sehr bald.«
»Dann werden wir jetzt hier an der Palisade hinabklettern und die allgemeine Blindheit nutzen.«
Er ignorierte Frylls Seufzen, schlang sich den Bogen um die Schulter und ließ sich vorsichtig hinab. Steine polterten hinterher, doch in dem Tumult ging das unter. Mythor fing den Schrat auf, für dessen kürzere Arme die Kletterei wesentlich schwieriger war.
Unten angekommen, schlichen sie an der Palisade entlang, bis ihnen ein Kruuk mit einer Fackel in den Weg lief. Es war eine Frau. Als sie Mythors und des Schrates ansichtig wurde, riß sie die Augen auf, als hätte sie die leibhaftigen Waldteufel vor sich.
Die Fackel entfiel ihrer Hand. Sie stieß einen kehligen Schrei aus, als der Schrat vorwärtssprang und die Fackel fing, bevor sie auf den nassen Boden fallen und verlöschen konnte. Es gab einen klatschenden Laut, und die Frau floh schreiend in den Nebel.
Fryll grinste verschämt. »Diese prallen…« Er unterbrach sich und sagte entschuldigend: »Hab’ ich zuviel gesagt? Sind diese Kruukweiber nicht überwältigend? Rundungen in Hülle und Fülle…«
»Wenig Hülle und viel Fülle«, erwiderte Mythor zweifelnd. Er hatte nur das grobschlächtige Gesicht gesehen. Aber jetzt war nicht der Augenblick, mit dem Schrat über Schönheit und Liebreiz zu reden. Er schob den Kleinen mit der Fackel vor sich her. So steuerten sie auf die Mitte des Dorfes zu, wo ein größeres Feuer brannte.
Mehrere Frauen liefen ihnen über den Weg, schenkten ihnen aber keine Beachtung, in der Hauptsache wohl, weil sie nicht erwarteten, daß der Feind ganz offen mit einer Fackel durch ihr Lager spazierte.
Krieger sahen sie keinen. Kinder kauerten furchtsam vor den Hütten.
Am Feuer kamen ihnen plötzlich zwei Gestalten entgegen. Sie hielten Kampfhämmer in Händen.
Mythor hob seine Klinge. Dann sah er, daß sie auch Frauen waren. Er zögerte.
Fryll drängte sich an ihm vorbei und hielt den beiden seinen Stock entgegen. Sie holten mit ihren Hämmern aus.
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