Fluch der Leidenschaft
sich nach links, dann eine schmale Stiege hinauf. Sie drückte an die Mauer, diese bewegte sich und entließ sie in den Raum unterhalb der Saaltreppe.
Stimmen. Plötzliche Vorsicht.
Anstatt auf schnellstem Wege um die Wand herum und in den Saal zu rennen, kroch sie, alle Sinne angespannt, voran, um nachzusehen, ob weiteres Unheil sie erwartete.
Renald saß mit einigen Männern im Saal, ins Gespräch vertieft. Sie wirkten besorgt.
Sie lief auf ihn zu. »Renald! In den Geheimgängen sind Männer, wir müssen ihnen den Rückweg abschneiden. Schnell. Ich weiß auch, wie. Kommt!«
Sie blickten verdutzt auf und reagierten dann sofort. Imogen führte die Gruppe eilends die Saaltreppe hinunter, über den Burghof zum Wachhaus am Tor. Dort befahl sie vier weiteren Männern, ihr zu folgen.
Von dort gab es noch einen Eingang in die Geheimgänge. »Geht hinunter«, erklärte sie kurz angebunden. »Den Gang entlang. Es gibt keine Biegungen. Dieser Gang trifft auf einen zweiten. Wartet dort. Männer werden kommen. Haltet sie auf. Tötet sie, wenn es sein muss. Aber versucht, so leise wie möglich zu sein.«
Die verwirrten Männer blickten erwartungsvoll auf Renald. »Tut, was sie sagt«, befahl er ihnen. »Stephen. Geh mit ihnen.« Einer der jüngeren Ritter gehorchte unverzüglich.
Sobald sie gegangen waren, sank Imogen zitternd an eine Wand, plötzlich wich alle Kraft aus ihr. Sie bemerkte ein Stechen in ihrem Gesicht und stellte fest, dass sie dort eine Schnittwunde hatte. Ihr Verstand spulte die Ereignisse der letzten Minuten noch einmal ab, und sie erinnerte sich, dass eine Scherbe der Laterne sie getroffen hatte, als Lig sie packte …
Renald trug sie in den Saal und setzte sie an einen Tisch, schenkte ihr etwas von dem Met ein, den er eben noch mit seinen Männern getrunken hatte, und hielt ihr den Becher an die Lippen.
»Was ist passiert?«, fragte er. »Zum Donnerwetter! Wer hat Euch die Haare abgeschnitten?«
»Ich selbst.« Imogen hätte gern deswegen getrauert, doch dazu war jetzt keine Zeit. Sie trank den Met und spürte seine kräftigende Wirkung. Dann blickte sie in die Runde. »FitzRoger ist in Warbricks Hand.«
»Warbrick!«
»Er hat ihn an einen Baum fesseln lassen, nicht weit von hier im Wald, und wartet in der Felswand, am Eingang zu den Geheimgängen. Deshalb dürfen die Männer in den Gängen nicht zu ihm zurückkommen. Er würde FitzRoger sonst sofort töten. Jetzt wartet er bis zum Morgengrauen – es sei denn, er ahnt, dass Probleme auf ihn zukommen.«
Renald schaute durch einen der Fensterschlitze hinaus. »Also bleiben uns vielleicht drei Stunden.«
Imogen versuchte, sich mit einem tiefen Atemzug zu beruhigen. »Wir müssen FitzRoger vorher befreien. Der Himmel weiß, was sie schon jetzt mit ihm anstellen …« Sie beherrschte sich, um nicht hysterisch zu werden oder komplett wahnsinnig.
»Wenn wir sie überraschen …«, meinte Renald.
»Das reicht womöglich nicht aus. Warbricks Leute haben Knüppel und den Befehl, FitzRoger beim geringsten Anzeichen eines Problems die Rippen zu zertrümmern. Sie fürchten ihren Herrn mehr als den Tod, und das aus gutem Grund. Es sind etwa fünfzehn Mann in dem Lager, vier davon tun nichts anderes, als FitzRoger zu bewachen. Warbrick will ihn ohnehin töten, dessen bin ich mir sicher, aber er behält ihn noch als Geisel, damit er Macht über mich hat.« Plötzlich bedeckte sie das Gesicht mit den Händen. »Heilige Maria, ich habe solche Angst!«
Renald schloss sie fest in die Arme. »Mit mir an Eurer Seite? Kommt, kleine Blume, Ihr habt gute Arbeit geleistet. Wir werden einen Weg finden.«
Imogen fasste sich. »FitzRoger hatte einen Plan.«
»Wie könnten wir dann scheitern?«, fragte Renald mit einem fröhlichen Grinsen und entlockte Imogen damit ein dünnes Lächeln. »Sagt uns, was wir tun sollen.«
»Wir sollen einen Teil des Schatzes durch das hintere Tor aus der Burg schaffen. Ihn zum Lager bringen und sagen, dies sei die erste Ladung, und sie sollen gleich anfangen auszuteilen. Wir hoffen, dass der Anblick solcher Reichtümer sogar Warbricks Männer für die kurze Zeit aus der Fasssung bringt, die Ihr braucht, um FitzRoger zu befreien.«
»Ist das alles?«, fragte Renald entsetzt.
»Das ist alles, womit wir im Moment aufwarten können«, erwiderte sie gereizt. »Aber Warbrick wartet mit nur vier Mann am Eingang zu den Geheimgängen. Vielleicht können wir ihn festnehmen und dann mit ihm verhandeln.«
»An einem Felsenhang? Das bezweifle
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