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Fluch der Leidenschaft

Fluch der Leidenschaft

Titel: Fluch der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Beverley
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einem neuerlichen Entsetzensschrei drückte sie sich von der Leiche weg.
    Sie stieß an etwas, drehte sich um und hob schützend die Arme vor das Gesicht.
    FitzRoger kauerte sich neben sie. »Schon gut«, sagte er freundlich und legte eine Hand auf ihre Schulter. »Seid Ihr sehr verletzt?«
    Sie zuckte vor ihm zurück. »Ihr habt ihn getötet!«
    »Das ist meine Aufgabe, Lady Imogen«, erklärte er gelassen. »Wo seid Ihr verletzt?«
    »Ihr habt ihn getreten!« Der ritterliche Verhaltenskodex verbot, einen anderen Mann zu treten. Sie versuchte, ihm dies klarzumachen. »Das hättet Ihr nicht tun dürfen. Ich bin sicher, Ihr seid nicht …«
    Sie schüttelte den Kopf und konnte damit offenbar nicht mehr aufhören. Sie konnte nicht klar denken, und sie wollte es auch gar nicht mehr …
    Ein harter Schlag auf die Wange brachte sie wieder zu sich. Mit ausdruckslosem Blick starrte sie auf FitzRoger.
    »Ich hebe Euch jetzt hoch«, erklärte er. »Wenn es zu sehr wehtut, sagt es mir.«
    Er hob Imogen auf die Arme und trug sie über den Hof.
    »Ihr hättet ihn nicht treten dürfen«, wiederholte sie ernst.
    »Wahrscheinlich habt Ihr recht. Ich werde Buße tun.«
    Nachdem dieser Punkt beigelegt war, schloss Imogen die Augen und lehnte den Kopf an sein Lederwams. Doch im nächsten Moment zuckte sie zurück. Er roch nach Blut. »Bringt mich einfach nur von hier weg«, bat sie.
    »Natürlich. Ihr hattet hier nichts zu suchen.«
    Sie hörte die Kälte in seiner Stimme und dachte an den armen Bert. Würde er die Rüge seines Herrn noch erleben?
    »Es war meine Schuld«, gab sie zu. »Ich sagte Bert, wir würden drüben im Wald mehr in Gefahr sein als in der Burg. Und das hätte ja auch so sein können.« Der Lärm ließ nach; offenbar hatten sie den inneren Burghof erreicht. Imogen öffnete die Augen einen Spalt.
    Ja, sie hatten die Hölle hinter sich gelassen. Hier sah es eher nach dem Zuhause aus, das sie kannte. Hier war kein Feuerschein; in dem dunstigen Dämmerlicht waren sogar im Schatten Einzelheiten zu erkennen. Pferde, die nun, da sie vom Feuer weg waren, zur Ruhe kamen. Männer, die gelassen und zielgerichtet ihre Arbeit taten.
    Dann sah sie weitere Tote. Einige waren Frauen.
    »Wer sind diese Leute?«, fragte sie flüsternd. »Die Toten.«
    »Einige von Euch, aber die meisten von Warbrick«, antwortete er. »Ich habe noch nicht alles genau prüfen können. Ich habe die Umgebung absuchen lassen, Lady Imogen. Wo immer Warbrick ist, hier ist er nicht. Ihr wart da, wo ich Euch zurückgelassen hatte, absolut sicher. Es ginge uns allen besser, wenn Ihr lernen würdet zu tun, was man Euch sagt.«
    Wahrscheinlich hatte er recht. Er hätte nach ihr geschickt, sobald das Feuer gelöscht, die Ordnung wiederhergestellt und die Toten beiseitegebracht, wenn nicht schon beerdigt, gewesen wären. Ganz wie ihr Vater hätte er ihr diese Unannehmlichkeit erspart.
    Imogen merkte, dass sie sich dagegen sträubte.
    »Mein Vater hat mich zu sehr behütet«, erklärte sie. »Gewalt oder Grausamkeiten zu sehen blieb mir erspart. Aber dies hier ist schließlich alles meinetwegen geschehen, nicht wahr? Also sollte ich es auch miterleben. Ich will nicht mehr von allem abgeschottet sein.«
    »Eine ehrenwerte Haltung, aber Ihr solltet Euch nicht zu viel zumuten. Die Wirklichkeit kann manch einen Menschen überfordern; außerdem seid Ihr im Weg. Wo ist Euer Gemach?«
    Sie wollte gegen ihn ankämpfen, sich dagegenstellen, als nutzlose Last abgetan zu werden. Aber sie war so müde, so verzweifelt …
    »In der südöstlichen Ecke des Turms«, antwortete sie.
    War es möglich, dass ihr Gemach noch da war, unberührt, mit seinen seidenen Wandbehängen, den kostbaren Glasfenstern, ihrer Harfe und ihren Büchern? Sie betete darum.
    »Es gibt eine Treppe an der Seite des Turms«, sagte sie, »aber vielleicht ist es einfacher, die breitere Treppe vom Saal aus zu benutzen.«
    Trotz ihrer Bemerkung ging er auf die schmale Tür zu, die zu der in die Wand eingebauten Treppe führte, und sie erinnerte sich an die Szene im Saal, deren Zeuge sie geworden war. War das wirklich erst zwei Tage her? Floss dort noch immer Blut? Nein, natürlich wäre es inzwischen zumindest getrocknet.
    Sie schloss wieder die Augen. Sie wollte keine schrecklichen Dinge mehr sehen.
    Erst als sie die vertrauten Schnitzereien ihres Betts ertastete, öffnete sie die Augen wieder. Sie waren in ihrem Gemach, aber es war verändert. Die Wände waren kahl. Überall lag Unrat. Das Licht war

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