Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
vorher so etwas wie Kollegen gewesen waren.
Er nickte ihnen freundlich lächelnd zu und ging an ihnen vorbei in Richtung seiner eigenen Gemächer. Die Königin hatte vollkommen Recht: Er war übernächtigt und ziemlich erschöpft. Gewiss würde er schlafen wie ein Stein.
Unterwegs schaute er kein einziges Mal zurück. So bekam er nicht mehr mit, dass die Königin nach der Prinzessin schickte. Aber das war ja sowieso zu erwarten gewesen, nach ihren eigenen Ankündigungen.
*
Prinzessin Carla von Spanien war ziemlich nervös. Nicht nur wegen ihrer Gefühle, die sie insgeheim für den Lord hegte, sondern wegen der bevorstehenden Audienz bei Königin Elisabeth. Ob sie wirklich soviel Verständnis für ihre Lage aufbringen würde, wie Lord Cooper vermutet hatte?
Die nur mühsam zu unterdrückende Furcht vor einer möglichen Entscheidung gegen ihren Willen überschattete sogar das Gefühlschaos in ihrer Burst, das der Lord ungewollt erzeugt hatte.
Und dann endlich kam die Erlösung insofern, dass der Hofmarschall höflich um Einlass begehrte, nur um ihr mitzuteilen, die Königin von England wolle sie nun sprechen.
Was hat Lord Cooper ausgerichtet bei ihr? Er wird doch wohl in meinem Sinne gesprochen haben, wie er mir zusicherte?, fragte sie sich verzweifelt, als sie sich dem Hofmarschall anschloss.
Es war eine besondere Ehre für sie, dass sich der Marschall höchstpersönlich um sie kümmerte. Aber schließlich war sie die Prinzessin einer verbündeten Nation. Da war das sicherlich opportun. Der Hofmarschall vergewisserte sich unterwegs immer wieder, dass die Prinzessin ihm auch wirklich auf dem Fuße folgte. Dabei entschuldigte er sich jedesmal dafür, weil er ihr unterwegs den Rücken zukehren musste.
Die Prinzessin hätte es unter anderen Umständen amüsiert, dass der Hofmaschall so übertrieben tat - übertriebener noch als es die Etikette am Hofe von England erforderte. Aber ihr Innneres war so aufgewühlt, dass keinerlei Freude aufkeimen konnte. So folgte sie nur stumm und ignorierte das Gebaren des Hofmarschalls geflissentlich. Bis sie die Tür zum Audienzzimmer der Königin erreichten. Dort gab es einen kurzen Zwischenstopp, weil erst einer der Wachhabenden eintreten musste, um die Prinzessin bei der Königin anzukündigen. Es machte die Prinzessin ein wenig stutzig: Das sah ja so aus, als wären die Wachhabenden hier so eine Art Leibgarde. Hieß es denn nicht, dass es am Hofe Englands so etwas nicht gab, weil es nicht nötig war?
Alle Welt munkelte, die Königin sei absolut unangefochten. Es könnte gar keine Feinde ihrer Person geben, weil sie so eine schier unfehlbare Königin war.
Sollte das nichts weiter als eine diplomatische Masche sein?
Der Wachhabende kehrte zurück und enthob damit die Prinzessin weiterer Gedankengänge in dieser Beziehung. Letztlich war das alles auch gar nicht so interessant für sie. Viel interessanter war es, wie das Gespräch mit der Königin verlaufen würde.
Der Wachhabende verbeugte sich vor der Prinzessin und sagte feierlich: "Ihre Majestät bittet ihren persönlichen Gast, die hochwohlgeborene Prinzessin Carla von Spanien, zu sich in den Audienzsaal. Ihr möget mir bitte folgen." Er richtete sich wieder auf und nickte kaum merklich dem Hofmarschall zu. Für diesen die Aufforderung, sich ebenfalls anzuschließen.
Alle drei traten ein. Der Wachhabende verbeugte sich im Innern in Richtung der Königin und blieb bei der Tür zurück. Der Hofmarschall verbeugte sich erst vor seiner Königin und dann vor der Prinzessin, ehe er ihr andeutete, gemeinsam mit ihm zum Thron sich zu begeben. Elisabeth von England schaute ihnen aufmerksam entgegen. Die Prinzessin erwiderte den forschenden Blick. Das tat sie selbstbewusst und anscheinend völlig ungeniert. Aber auch das gehörte zum Ritual. Erst als sie im vorgeschriebenen Abstand vor dem Thron Ihrer Majestät stand, zeigte sie einen artigen Knicks, der Ihrer Majestät ein wohlwollendes Lächeln entlockte.
"Aber bitte, Prinzessin Carla von Spanien, ich weiß doch, dass Ihr keinen sonderlichen Wert auf allzu übertriebene höfische Rituale legt. Setzt Euch einfach zu mir, denn die Tochter des von mir verehrten Philipp II., den ich als einen wohlwollenden Freund betrachte, ist selbstverständlich auch eine liebste Freundin von mir." Diese Worte machten die Prinzessin weitaus unsicherer als jeglich Einhaltung von übertriebener Etikette.
Ihr Blick fiel auf die Sitzgelegenheit neben dem Thron, die selber ebenfalls wie ein Thron
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