Fluch der Meere (Historischer Roman) (German Edition)
sie wohlwollend.
"Lasst Euren Gefühlen freien Lauf, werteste Freundin." Sie winkte dem Hofmarschall zu, der natürlich immer noch auf seinem Platz stand und sich bemühte, möglichst unauffällig zu tun. "Verlasst uns!" Auch an den Wachhabenden an der Tür wandte sie sich: "Schließt von außen. Ich möchte mit der Prinzessin allein sein."
Auch dafür war ihr die Prinzessin höchst dankbar. Kaum waren die Männer draußen, als ihr die Tränen förmlich aus den Augen schossen. Die Königin streichelte verständnisvoll über ihr Haupt. Ja, sie behandelte die Prinzessin tatsächlich wie eine liebende Mutter. Es tat Carla unendlich gut und sie konnte sich überhaupt nicht mehr vorstellen, dass die Königin von England jemals eine Entscheidung treffen könnte, die nicht zu ihrem Besten war.
Doch welche Entscheidung würde sie letztlich denn treffen?
Carla gab sich zwar voll und ganz ihrem Gefühlsausbruch hin, weil es sie immens erleichterte und weil sie sich wirklich keinen Menschen mehr vorstellen konnte, der dafür mehr Verständnis haben könnte als Königin Elisabeth, aber tief in ihrem Innnern schlummerte immer noch ein Rest von Furcht vor der nahen Zukunft. Sie erinnerte sich sehr wohl an die bedenklichen Worte des Lordes, der ihr klar gemacht hatte, dass die Königin von England die Anwesenheit einer Prinzessin von Spanien unmöglich auf Dauer geheim halten durfte. Für den König von Spanien würde das letztlich wie eine Kriegserklärung erscheinen. Nein, das konnte sie doch unmöglich risikieren. Oder?
Ihre tränenverschleierten Augen richteten sich auf die Königin. Sie forschte in deren Gesicht, doch sie konnte keinerlei Hinweis erkennen auf eine etwaig negative Entscheidung. Und sie erinnerte sich auch an die Worte der Königin, die diese erst vor Minuten gesprochen hatte und die deutlich aussagten, dass es ihres Erachtens als unzumutbar angesehen werden durfte, die Prinzessin zurückzuschicken nach Spanien. Und wieso zweifelte Carla trotzdem noch an ihrer eigenen Hoffnung?
Die Königin reichte ihr sogar ein Taschentuch für ihre Tränen. Sie tat alles, um die Prinzessin zu trösten. Eben wie eine liebende Mutter es mit ihrer Tochter getan hätte.
Hatte sie Carla nicht auch als liebste Freundin bezeichnet? Dann war die Königin von England zumindest eine Art mütterliche Freundin. Gedanken, die Carla mehr und mehr halfen, sich wieder zu beruhigen. Bis am Ende ihr Tränenfluss versiegte und sie wieder die Kraft hatte, sich in aller Form für den Beistand zu bedanken.
Die Königin erwiderte daraufhin nur sanft: "Ist es nicht üblich unter Freundinnen, sich gegenseitig beizustehen?"
Jetzt schaute Carla sie offen an.
"Ihr seid wirklich auf meiner Seite!" Ja, das war keine Frage, sondern eine Feststellung gewesen. "Aber ich kann das nicht verantworten, mit Verlaub, Majestät."
"Was könnt Ihr nicht verantworten?"
"Lord Cooper hat mit mir bereits darüber gesprochen, auf dem Weg hierher."
"So, was sagte er denn?"
"Er wies darauf hin, dass es einer Beleidigung der spanischen Krone gleich komme, wenn Ihr mein Hiersein auf Dauer gegenüber meinem Vater verheimlichen würdet."
"So, das meinte er?" Dem Gesicht der Königin war nicht im Geringsten anzusehen, was sie dachte.
Carla fuhr fort: "Es hat mich zunächst mit Furcht erfüllt. Ich musste daran denken, was mir bevor steht, aber der Lord hat mir klar gemacht, dass ich unmöglich meine persönlichen Belange über die Belange zweier Völker stellen darf. Ich bin die Prinzessin von Spanien. Das gibt mir aber noch lange nicht das Recht, einen Konflikt zwischen unseren beiden Nationen zu provozieren - nur um mir vieleicht selber dabei einen Gefallen zu tun, um es einmal so zu umschreiben."
"Aha, das ist wirklich Eure Meinung?"
"Ja, nachdem mir Lord Cooper dahingehend die Augen geöffnet hat."
"Nun, ich muss zugeben, dass ich diese Möglichkeit noch in keiner Weise in Betracht gezogen habe. Allerdings bleibt es dabei, dass ich es unmöglich zulassen kann, Euch mit einem solch tragischen Schicksal sozusagen... enden zu lassen. Zwar kann ich die Motive Eures Vaters durchaus nachvollziehen und möchte ihn auch in keiner Weise unnötig verärgern, aber..."
Sie brach ab. Für Carla eine Gelegnheit, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
"Das ist halt der Punkt, Majestät: Mein Vater will in dieser Angelegenheit auf niemanden hören. Nicht nur nicht auf mich, sondern mit Sicherheit auch auf niemand anderen."
"Soll das etwa heißen, Euer Entschluss steht
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