Fluch der Nacht: Roman
vier und sind nur drei.«
Syndil nickte. »Ich stelle den Tanz und die Töne des Liedes auf die Menge der Toxine ein, die ich durch meine Fußsohlen spüre. Mit dieser Erde müssen wir besonders vorsichtig sein, weil wir sie für die Babys vorbereiten.«
Lara nickte stirnrunzelnd und hob die Hand, um die durch den Raum pulsierende Macht zu spüren. »Einige der Gewebe sind ein bisschen schief. Wir brauchen eine vierte Weberin.«
»Es gibt keine. Die anderen können Macht beitragen, aber nicht den heilenden Gesang hervorbringen.«
»Gibt es niemand anderen unter euch, der dazu in der Lage ist?«, fragte Lara Syndil.
Syndil schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Wir nehmen an, dass Skyler dem Geschlecht der Drachensucher entstammt, doch wir wissen es nicht mit Sicherheit. Da sie die Erde jedoch schreien hörte, ist sie, falls kein Drachensucher-Blut in ihren Adern fließt, zumindest doch so einfühlsam wie ich der Mutter Erde gegenüber.«
»Sie hat Drachensucher-Augen«, stimmte Lara zu.
Skylers Augen waren zu alt für ihr junges Gesicht. Und sie erinnerten Lara an Razvans Augen. Wahrscheinlich war das junge Mädchen eines der Kinder, die Xavier mit Razvans Körper gezeugt hatte, um sich von dem Blut seiner Nachkommen ernähren zu können. Und irgendwie war das Mädchen dann bei den Karpatianern gelandet. Der Gedanke war beunruhigend, und einen Moment lang sehnte Lara sich nach dem Trost von Nicolas’ starken Armen. Spontan versuchte sie, die geistige Verbindung zu ihm herzustellen, und er war sofort bei ihr.
Du brauchst mich?
Jetzt kam sie sich ein bisschen dumm vor. Sie war nicht drauf und dran, ein Kind zu verlieren, aber sie zitterte , weil ein junges Mädchen die gleichen Augen wie ihr Vater hatte.
Nein, nein, es ist alles in Ordnung , beruhigte sie Nicolas.
Du brauchst mich nur zu rufen, Lara. Ich bin bei dir.
Sie fühlte sich sicher und getröstet von seinen Worten, und zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie ein Zugehörigkeitsgefühl.
Es geht mir gut. Diesmal sagte sie es mit Überzeugung, und dann wandte sie sich Raven zu und erwiderte ganz offen ihren besorgten Blick. »Wir brauchen Natalya.«
Die Frauen sahen sich an. »Natalya ist eine Kriegerin. Sie sagt, sie kann die Erde nicht spüren«, erklärte Shea. »Sie hat nicht die Sensitivität dafür.«
Laras Augenbrauen fuhren in die Höhe. »Tatsächlich? Das hat sie gesagt?«
Shea und Raven wechselten einen langen Blick, dann runzelte Raven die Stirn. »Mikhail hat mir erklärt, sie könne die Erde nicht heilen, so wie ihre Familie es konnte. Ist das denn nicht so?«
Lara schürzte ihre Lippen. »Natalya pulsiert geradezu vor Macht. Ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn sie es nicht könnte.«
»Dann ruft sie her«, schlug Raven vor.
»Sie ist beim Kriegerrat und spricht für uns«, gab Shea zu bedenken.
»Ruft sie her!«, wiederholte Raven, und diesmal war es ein Befehl. »Wenn es noch Hoffnung gibt, diese Kinder zu retten, ist das wichtiger als die Debatte mit den Männern. Letztendlich wird Mikhail die Entscheidung fällen, ob Frauen an der Seite ihrer Männer kämpfen dürfen oder nicht, und wir alle werden uns ihr beugen müssen.«
Niemand erhob Einwände. Raven machte selten – falls überhaupt je – ihren Rang als Frau des Prinzen geltend, doch im Moment bestand kein Zweifel, dass sie Natalya herbeizitieren lassen wollte.
Ravens Gesicht war tränenüberströmt, und ihr Kummer lastete schwer auf all den anderen Frauen. Raven hatte einen Verlust überlebt, und nun drohte ihr ein weiteres Kind zu entgleiten. Neben ihr lag blass und abgespannt Savannah, die sich mit geschlossenen Augen darauf konzentrierte, ihre Zwillinge bei sich zu behalten.
Beide Frauen konnten mit ihren ungeborenen Kindern kommunizieren, was den drohenden Verlust jedoch noch schwerer machte, denn die Babys entwickelten bereits Persönlichkeiten.
»Ruf sie her, Shea!«, beharrte Raven.
Shea versuchte, die geistige Verbindung zu Razvans Zwillingsschwester herzustellen.
»Warum zögert Shea, sie zurückzurufen?«, flüsterte Lara Syndil zu.
»Natalya ist anders«, antwortete Syndil. »Sie ist die älteste noch lebende Frau, die der Blutlinie der Drachensucher entstammt, und als solche ist sie enorm mächtig. Darüber hinaus ist sie eine Kraft, mit der man auch in jeder anderen Hinsicht rechnen muss, und sie geht ihren eigenen Weg. Ich glaube, sich immer vor Xavier verstecken zu müssen, hat sie mit der Zeit zur Einzelgängerin gemacht.
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