Fluch der Nacht: Roman
fiel er auf den hart gefrorenen Boden, und Grauen packte ihn, als er die scheußlichste aller Kreaturen sah – Xavier. Shauna lag auf dem Boden und blutete aus Mund und Nase. Auf ihrer Haut bildeten sich bereits blaue Flecken. Sie streckte die Hände nach ihrem kleinen Mädchen aus, aber Xavier stieß die Frau mit einem Tritt beiseite und riss Lara – und mit ihr Nicolas – an ihren roten Locken hoch. Achtlos warf er das Kind gegen die Höhlenwand und zerschlug den kleinen Körper skrupellos.
Xavier war eine Masse aus sich zersetzendem Fleisch, verfaulten schwarzen Zähnen und mitleidlosen silbrigen Augen. Voller Entsetzen beobachtete Nicolas, wie der abscheuliche Dämon nun die Frau wiederholt in die Rippen trat, bis sie zerbrachen, und dann mit ihrem Gesicht und ihren Beinen weitermachte, bis auch dort die Knochen brachen.
Razvan warf sich so heftig in die Ketten, dass sie ihm in die Haut schnitten und das Blut aus seinen Wunden auf das Eis hinuntertropfte. Ein heiserer, hoffnungsloser Schrei entrang sich seinen Lippen, und blutrote Tränen liefen ihm über die eingefallenen Wangen. »Ich war das! Rühr sie nicht an. Ich werde alles tun, was du verlangst. Bitte ...« Weinend ließ er sich zurückfallen und schlug mit den Fäusten auf das Eis, bis auch sie ganz blutig waren.
Xavier ignorierte ihn und fuhr fort, Shaunas Körper mit Fußtritten zu traktieren. »Sieh dir an, wozu du mich gebracht hast!«, brüllte er Lara dabei an. »Sieh sie dir an, deine Mutter, wie sie deine Strafe auf sich nimmt, obwohl du es bist, die diese Behandlung verdient hätte. Es ist deine Schuld, dass sie so leiden muss.« Er griff nach dem Kind, schleifte es am Haar über den Boden und schleuderte es mit dem Gesicht nach unten neben seine Mutter. »Du stiehlst ihr den letzten Atem, du undankbares Balg. Wozu bist du schon zu gebrauchen, außer um mich mit Nahrung zu versorgen? Sieh nur, du hast deine eigene Mutter umgebracht!«
Er spuckte auf den Leichnam und griff in die Tasche seiner langen Tunika, aus der er ein Glas mit sich ringelnden und windenden weißen Parasiten hervorzog. »Meine kleinen Freunde werden mit Freuden ihren Dreck wegputzen, auch wenn es ein paar Tage dauern wird. Was für ein Festessen für sie!«, sagte er und leerte das Glas mit den Parasiten über Shaunas regungslosem Körper aus. Die widerlichen Schmarotzer schwärmten augenblicklich über Laras Mutter aus.
Mit einem irren, schadenfrohen Glitzern in den silbrigen Augen riss Xavier Lara hoch, ließ lachend eine Handschelle um ihr Handgelenk zuschnappen und befestigte sie an der Kette ihres Vaters, bevor er davonhumpelte.
Lara hatte fast keine Bewegungsfreiheit und war daher gezwungen, neben ihrer toten Mutter zu sitzen, während ihr Vater sich stöhnend hin und her warf und sie mitansehen mussten, wie die Parasiten über Shauna herfielen.
Es könnten Stunden oder Tage gewesen sein, in denen Nicolas so dasaß, traumatisiert von der Brutalität des ärgsten Feindes der Karpatianer. Er hatte geglaubt, das Böse gründlich kennengelernt zu haben in all den Jahrhunderten der Jagd auf die Vampire, doch das, was er hier sah, war noch viel, viel schlimmer. Xavier hatte die Frau seines Enkels vor dessen Augen und denen ihres Kindes ermordet. Und nun zwang er sie auch noch, die langsame Vernichtung ihres Körpers durch die räuberischen Parasiten mitzuerleben. Kein Wunder, dass Lara Flashbacks hatte, wenn sie das Gewürm in Verbindung mit Gregoris ungewöhnlicher Augenfarbe sah! Und Nicolas konnte jetzt auch verstehen, dass ihre Tanten und ihr Vater Laras Erinnerungen so tief in ihr vergraben hatten.
Wir sind bei dir, Lara, flüsterte eine leise Stimme. Hab keine Angst, wir sind ganz nah. Sieh nicht zu dem Körper auf dem Boden hin! Der gehört nicht länger deiner Mutter. Sie ist an einen sicheren Ort gegangen, wo das Monster sie nicht erreichen kann.
Nicolas konzentrierte sich auf die Stimmen, die ermutigende Worte flüsterten, Geschichten erzählten und einem kleinen Mädchen zu helfen versuchten, das Ungeheuerliche zu ertragen. Ohne ihre Großtanten hätte Lara entweder aufgegeben oder den Verstand verloren. Er merkte, wie er sich an ihre Stimmen klammerte und sich von dem sanften Zwang in ihnen beruhigen ließ, als auch schon die nächste Etappe von Laras Kindheit begann.
Die Phase der Angst kam immer zuerst, erkannte er. Ihr Geist wandelte auf den Wegen ihrer Kindheit und arbeitete sich langsam aus ihrer Vergangenheit zur Oberfläche – und zu ihm –
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