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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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den Hintern ihrer Jeans abgewischt, um zu dem jungen Mann hinüberzugehen, der mit den Kegeln jonglierte.
    »Linda, bleib hier!« hatte Heidi scharf befohlen. Sie zupfte am Kragen ihrer Strickjacke, ein Zeichen, daß sie nervös war. Billy nahm an, daß sie es gar nicht bemerkte.
    »Warum, Mam? Es ist ein Jahrmarkt ... wenigstens glaube ich, daß es so was ist.«
    »Das sind Zigeuner«, hatte Heidi erwidert. »Geh nicht in ihre Nähe. Sie sind alle Betrüger.«
    Linda hatte zuerst ihre Mutter, dann ihren Vater angesehen. Billy zuckte mit den Achseln. Sie stand da und blickte zu den Zigeunern hinüber, sich ihres verdrossenen Gesichtsausdrucks wohl ebenso unbewußt, dachte Billy, wie Heidi sich ihrer Hand, die den Kragen jetzt unablässig an ihren Hals rieb.
    Der junge Mann warf die Kegel jetzt einen nach dem anderen durch die offene Seitentür in den Minibus zurück. Ein dunkelhaariges, lächelndes Mädchen fing sie auf und warf ihm jetzt einzeln fünf Gymnastikkeulen zu. Ihre Schönheit war fast überirdisch. Der junge Mann warf nun die Keulen durch die Luft, wobei er sich eine ab und zu grinsend unter den Arm steckte und laut: »Hoi!« rief.
    Ein älterer Mann in einem Oshkosh-Latzoverall und einem karierten Hemd teilte Spielzeugflieger aus. Die schöne junge Frau, die die Kegel aufgefangen und die Keulen rausgeworfen hatten, sprang nun leichtfüßig aus dem VW-Bus.
    Sie hatte eine Staffelei unterm Arm. Als sie sie aufstellte, dachte Billy: Jetzt wird sie ein paar billige Seestücke ausstellen, oder einige alte Bilder von Präsident Kennedy. Doch statt eines Bildes befestigte sie eine Zielscheibe an der Staffelei. Jemand warf ihr aus dem Inneren des Busses eine Schleuder zu.
    »Gina!« rief der jonglierende Jüngling und grinste breit.
    Dabei zeigte sich, daß seine Zahnreihen erhebliche Lücken aufwiesen. Linda setzte sich abrupt wieder hin. Ihre Vorstellung von Männerschönheit war durch lebenslange Fern-seherziehung geprägt worden, und der Junge übte keinerlei Anziehungskraft mehr auf sie aus. Heidi hörte auf, an ihrem Kragen herumzufummeln.
    Das Mädchen warf dem Jongleur die Schleuder zu, und er ließ eine der Keulen fallen und jonglierte statt dessen mit der Schleuder weiter. Halleck erinnerte sich daran, daß er das für unmöglich gehalten hätte. Der Junge jonglierte sie drei oder viermal durch die Luft, warf sie zu dem Mädchen zurück und brachte es irgendwie fertig, die fünfte Keule wieder aufzuheben, ohne die anderen vier dabei fallen zu lassen. Er erntete vereinzelten Applaus. Einige der Städter lächelten - einschließlich Billy -, aber die meisten blickten gelangweilt und abweisend.
    Das Mädchen trat in einiger Entfernung vor die Zielscheibe, holte ein paar Stahlkugeln aus seiner Hemdtasche und schoß dreimal kurz hintereinander ins Ziel - plop, plop, plop. Sofort war sie von kleinen Jungen (und einigen Mädchen) umringt, die lauthals bettelten, auch mal schießen zu dürfen. Sie stellte sie geschwind und geschickt in einer Reihe auf wie eine gelernte Kindergärtnerin, die ihre Gruppe für die Pinkelpause organisierte. Zwei Zigeunerjungen in Lindas Alter hüpften aus einem alten Kombiwagen und machten sich daran, die verschossene Munition aus dem Gras aufzusammeln. Sie sahen sich ähnlich wie ein Ei dem anderen, offenbar Zwillinge. Einer von ihnen trug einen goldenen Ring im rechten Ohr, sein Bruder hatte das Gegenstück dazu im linken stecken. Ob ihre Mutter sie wohl auf diese Weise auseinanderhält? dachte Billy.
    Es wurde nichts verkauft. Es war eindeutig niemand da, der etwas verkaufte. Keine Madame Azonka, die die Karten legte.
    Trotzdem tauchte sehr bald ein Polizeiwagen auf, aus dem zwei Beamte stiegen. Einer von ihnen war Hopley, Fairviews Polizeichef, ein auf seine Weise gutaussehender Mann um die vierzig. Einige Aktivitäten wurden unterbrochen, und weitere Mütter benutzten diese Pause, um ihre faszinierten Kinder am Arm zu fassen und wegzuzerren.
    Die älteren protestierten, und Halleck sah, daß die Kleinen Tränen in den Augen hatten.
    Hopley begann, mit dem Jongleur (dessen leuchtend rot und blau geringelte Keulen jetzt um seine Füße verstreut lagen) und dem alten Zigeuner in der Oshkosh-Latzhose den Ernst der Lage zu diskutieren. Oshkosh sagte etwas. Hopley schüttelte den Kopf. Dann sagte der Jongleur etwas und fing wild zu gestikulieren an. Dabei bewegte er sich drohend auf den Streifenbeamten zu, der Hopley begleitete. Die Szene erinnerte Billy an etwas, und einen

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