Fluch, Der: Roman
diese verdammte Zigeunerfotze überfahren! Es ist alles deine Schuld!«
Er sah sie an, unfähig zu sprechen. Fotze? dachte er verwirrt. Habe ich Leda Rossington gerade das Wort Fotze sagen hö ren? Kaum zu glauben, daß sie so einen Ausdruck überhaupt kennt. Und sein zweiter Gedanke: Du siehst das ganz falsch, Leda. Es ist Heidis Schuld, nicht meine ... und ihr geht es glänzend. Für sie ist alles in bester Ordnung. Sie hat der Hafer gestochen. Sie war ganz groß in Fahrt. Sie hat der Teufel geritten. Sie hat ...
Da veränderte sich Ledas Gesicht: sie sah ihn mit ruhiger, höflicher Ausdruckslosigkeit an.
»Komm rein«, sagte sie.
Sie brachte ihm den gewünschten Cocktail in einem übergroßen Glas. Auf das Cocktailstäbchen, ein winziges, ver-goldetes Schwert - vielleicht war es auch massiv Gold -
waren zwei grüne Oliven und zwei Silberzwiebelchen gespießt. Der Cocktail war sehr stark, aber im Augenblick hatte Halleck nichts dagegen ... obwohl er von seinen Trinkgewohnheiten der letzten drei Wochen her wußte, daß er langsamer machen mußte, wenn er nicht bald ausrutschen wollte.
Seine Alkoholverträglichkeit war parallel zu seinem Gewicht gesunken. Trotzdem nahm er einen großen Schluck und schloßdankbar die Augen, als der Schnaps in seinem Magen explodierte und Wärme durch seinen ganzen Körper strömte.
Gin. Wunderbarer, kalorienreicher Gin.
»Er ist in Minnesota«, sagte sie mürrisch, als sie sich mit ihrem Cocktail hinsetzte. Er war, wenn überhaupt möglich, noch größer als seiner. »Aber er besucht keine Verwandten.
Er ist in der Mayo-Klinik.«
»Der Mayo...«
»Er ist davon überzeugt, daß er Krebs hat«, fuhr sie fort. »Michael Houston konnte nicht herausfinden, was mit ihm los ist, und auch die New Yorker Dermatologen haben es nicht gekonnt, aber er ist immer noch davon überzeugt, daß er Krebs hat. Kannst du dir vorstellen, daß er zuerst geglaubt hat, es wäre Herpes? Er hat mir vorgeworfen, daß ich mir bei irgend jemandem einen Herpes aufgegabelt hätte.«
Billy sah verlegen zu Boden, aber das wäre gar nicht nötig gewesen. Sie sah stur über seine rechte Schulter hinweg, so als erzähle sie ihre Geschichte der Wand. Dabei nippte sie mit schnellen, vogelartigen Schlucken an ihrem Glas. Der Inhalt sank langsam, aber stetig.
»Als er damit kam, habe ich ihn ausgelacht. Ich habe gelacht und gesagt: ›Cary, wenn du das für einen Herpes hältst, dann weißt du weniger über Geschlechtskrankheiten als ich von der Thermodynamik‹. Ich hätte nicht lachen dürfen, aber es war eine Möglicheit ... den Druck loszuwerden.
Verstehst du das? Den Druck und die Anspannung. Ach was, Anspannung, den Terror.
Mike Houston verschrieb ihm Salben, die nicht halfen; dann gaben sie ihm Spritzen, die nichts bewirkten. Ich war diejenige, die an den alten Zigeuner denken mußte. Diesen Alten mit der halb zerfressenen Nase. Mir fiel wieder ein, wie er sich am Wochenende nach deiner Verhandlung auf dem Flohmarkt in Raintree plötzlich aus der Menge gelöst hatte, Billy. Er kam aus der Menge direkt auf uns zu und berührte ihn ... er hat Cary angefaßt. Er hat ihm die Hand ans Gesicht gelegt und etwas zu ihm gesagt. Ich habe Cary damals gleich danach gefragt, ich habe ihn später, nachdem es sich ausgebreitet hatte, danach gefragt, doch er wollte es mir nicht sagen. Er schüttelte nur immer den Kopf.«
Halleck trank gerade seinen zweiten Schluck, als Leda ihr leeres Glas auf dem Tischchen neben sich abstellte.
»Hautkrebs«, sagte sie lakonisch. »Er ist davon überzeugt, daß es Hautkrebs ist, denn der läßt sich in neunzig von hundert Fällen heilen. Ich kenne seine Gedankengänge - wäre ja auch komisch, wenn es nicht so wäre, nicht wahr?
Nachdem ich fünfundzwanzig Jahre mit ihm zusammengelebt habe, nachdem ich fünfundzwanzig Jahre lang mitangesehen habe, wie er auf dem Richterstuhl sitzt und Immobiliengeschäfte abwickelt und säuft und Immobiliengeschäfte abwickelt und den Frauen anderer Männer nachstellt und Immobiliengeschäfte abwickelt und... ach, Scheiße. Und ich sitze hier und überlege mir, was ich wohl zu seiner Beerdigung sagen würde, vorausgesetzt, jemand verpaßte mir eine Stunde vor dem Gottesdienst eine Dosis Pentothal. Ich glaube, dabei würde etwas herauskommen wie: ›Er hat eine Masse Grundbesitz in Connecticut aufgekauft, auf dem heute Einkaufszentren stehen, und er hat nach einer Menge BHs gegriffen und elendig viele Wild Turkeys gesoffen und mich als reiche Witwe
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