Fluch, Der: Roman
zurückgelassen, und ich habe die besten Jahre meines Lebens mit ihm verbracht und besitze wesentlich mehr beschissene Blackglama-Nerze als ich je einen beschissenen Orgasmus gehabt hätte, also laßt uns endlich hier abhauen und in irgendein Rasthaus verschwinden, wo wir tanzen können, und nach einer Weile wird vielleicht jemand besoffen genug sein, um zu vergessen, daß mein Scheißdoppelkinn schon zigmal hinter meinen Scheißohren festgenäht worden ist – zweimal im bescheuerten Mexiko und einmal im beschissenen Deutschland, um genau zu sein – und endlich mal in meinen Scheiß-BH greifen. Oh, Scheiße! Warum erzähl ich dir eigentlich den ganzen Quatsch? Das einzige, wovon Männer wie du etwas verstehen, ist doch nur Picken und Straferlaß und die Baseballergebnisse.«
Jetzt weinte sie wieder. Billy Halleck wußte nun, daß der Drink, den sie gerade genommen hatte, bei weitem nicht der erste an diesem Abend gewesen war. Er rutschte unangenehm berührt auf seinem großen Sessel hin und her und nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Der Alkohol explodierte mit trügerischer Wärme in seinem Magen.
»Er ist deshalb so sehr davon überzeugt, daß er Hautkrebs hat, weil er es nicht zulassen kann, so lächerliche, altmodi-sche, abergläubische Dinge aus Dreigroschenromanen wie Zigeunerflüche für wahr zu halten. Aber ganz tief in seinen Augen habe ich es gesehen, Billy. Im letzten Monat habe ich eine Menge Dinge gesehen. Besonders nachts. Jede Nacht wurde es ein kleines bißchen deutlicher. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum er gegangen ist. Er hat gesehen, daß ich es gesehen habe.
Nachfüllen?«
Billy schüttelte wie betäubt den Kopf und sah ihr nach, als sie an die Bar ging und sich einen neuen Cocktail mixte. Ihre Drinks waren extrem einfach. Sie goß das Glas einfach voll Gin und ließ ein paar Oliven hineinplumpsen. Während sie hinuntersanken, bildeten sich zwei aufsteigende Bläschen-spiralen. Selbst von seinem Platz am anderen Ende des Zimmers aus konnte er den Gin riechen.
Was war mit Rossington los? Was war mit ihm geschehen? Einen Teil davon wollte Billy lieber nicht wissen. Houston hatte offenbar keine Verbindung zwischen dem, was mit Cary Rossington los war, und dem, was mit ihm passierte, hergestellt. Warum sollte er auch? Er wußte ja nichts von den Zigeunern. Außerdem bombardierte Houston sein Gehirn regelmäßig mit großen weißen Torpedos.
Leda kam zurück und setzte sich wieder.
»Wenn er anruft und sagt, daß er zurückkommt«, erklärte sie Billy ruhig, »dann fahre ich in unser Haus nach Captiva.
Es wird dort zu dieser Jahreszeit bestialisch heiß sein, aber ich habe genug Gin, also werde ich die Temperaturen kaum wahrnehmen. Ich glaube nicht, daß ich es aushalten würde, noch einmal mit ihm allein zu sein. Ich liebe ihn immer noch – ja, auf meine Art tue ich das –, aber ich glaube, ich würde vergehen. Wenn ich mir vorstelle, daß er im Bett neben mir läge ... mir vorstelle, daß er mich ... mich anfassen könn-96
te...« Sie zitterte. Ein paar Tropfen Gin fielen auf ihr Kleid.
Sie trank den Rest in einem Zug aus und schnaubte danach wie ein durstiges Pferd, das gerade gierig seinen Trog leer-gesoffen hat.
»Leda, was ist los mit ihm? Was ist passiert?«
»Passiert? Passiert! Aber, mein lieber Billy, ich dachte, daß ich dir das schon längst gesagt hätte, oder daß du es irgendwie wüßtest.«
Billy schüttelte den Kopf. Er bekam langsam das Gefühl, daß er überhaupt nichts mehr wußte.
»An seinem Körper wachsen Schuppen. Cary kriegt am ganzen Körper Schuppen.«
Billy starrte sie mit offenem Mund an.
Leda erwiderte seinen Blick mit einem entsetzt amüsierten, trockenen Lächeln und schüttelte leicht! mit dem Kopf.
»Nein – nein, das ist nicht ganz richtig. Seine Haut verwandelt sich in Schuppen. Er ist zu einem Fall von umgekehrter Evolution geworden. Ein Jahrmarktsmonster. Er verwandelt sich in einen Fisch... oder in ein Reptil.«
Plötzlich lachte sie, ein heiseres, kreischendes Gekrächze, das ihm das Blut in den Adern gerinnen ließ: Sie taumelt am Abgrund des Wahnsinns entlang, dachte er - und diese Entdeckung ließ ihn noch mehr frieren. Sie wird auf jeden Fall nach Captiva fahren, egal, was passiert. Sie muß Fairview verlassen, wenn sie bei Verstand bleiben will. Ja.
Leda schlug sich die Hand vor den Mund und entschuldigte sich, als ob sie gerülpst – oder gekotzt – hätte, anstatt zu lachen. Billy, im Augenblick
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