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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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weiß es zu schätzen, dass Dad den Familienrat einberufen hat. Aber andererseits gibt es nichts zu besprechen. Ich bekomme eine Tochter, und damit hat sich’s.«
    Eine Tochter. Lucy errötete, als sie es zum ersten Mal laut und mit Überzeugung aussprach. Sie konnte zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, dass es ein Mädchen wurde, aber sie hatte beschlossen, Miranda zumindest bis zu einem gewissen Grad Glauben zu schenken.
    In der Küche war es so still, dass man Pierre unter dem Tisch atmen hörte. Der Hund hatte sich lang ausgestreckt und die Vorderpfoten besitzergreifend auf Lucys Füße gelegt. Mitten in dieser Stille nahm Soledad plötzlich ihren Teller mit Rührei, beugte sich hinab und schob ihn zu Pierre unter den Tisch.
    » Lucy, soll das heißen, du glaubst Mirandas Geschichte?«, fragte Leo vorsichtig. » Glaubst du, du bekommst ein Mädchen, weil sie schrieb, dass die Scarborough-Frauen immer Töchter bekommen?«
    Lucy bemerkte, dass Zach, der neben ihr saß, seine Position verändert hatte, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Lucy stützte das Kinn auf die Hand. » Ich bin inzwischen davon überzeugt, dass es ein Mädchen wird. Ich kann nicht genau erklären, warum. Aber es wurde mir irgendwie klar, als ich las, was Miranda über ihre Schwangerschaft schrieb. Als ich an die Stelle kam, wo es hieß meine Tochter, wusste ich plötzlich, dass ich auch ein kleines Mädchen bekommen würde.« Sie zuckte mit den Schultern. » Ich will nicht behaupten, dass ich mich nicht irren kann. Aber ich habe das Gefühl, dass ich recht habe. Es ist ein Mädchen.«
    Soledad, die ihr gegenüber am Tisch saß, holte tief Luft, und die Falten auf Leos Stirn vertieften sich. » Ein kleines Mädchen wäre natürlich wundervoll, wenn es denn so sein sollte. Aber worauf ich mit meiner Frage eigentlich hinauswollte, ist, ob du glaubst… das heißt, ob du überhaupt davon überzeugt bist, dass… na ja–«
    Zach fiel ihm ins Wort. » Luce, glaubst du, dass ein Fluch auf dir lastet? Glaubst du, du bist dazu verdammt, mit achtzehn eine Tochter zu bekommen und anschließend verrückt zu werden wie Miranda? Und wie offenbar auch deine Großmutter Deirdre?«
    Schweigen.
    » Ja oder nein.«
    Lucy sah Zach an. » Du weißt, dass ich es für völlig irrational halte.«
    » Lass mal die Vernunft beiseite und entscheide einfach aus dem Bauch heraus. Ja oder nein?«
    » Ja«, antwortete Lucy reflexartig.
    Sogar Pierre gab jetzt keinen Laut mehr von sich.
    » Dieses Ja ist mir einfach so rausgerutscht«, fügte Lucy hinzu. Und dann sagte sie absichtlich noch mal ganz langsam und genüsslich: » Ja.« Diesmal klang es noch überzeugender.
    Lucy musste unwillkürlich lachen. » Okay. Das wäre erledigt. Jetzt bin ich verloren. Und ziemlich bald werdet ihr sagen, ich sei schon die ganze Zeit verrückt gewesen. Kümmert euch auch um meine Tochter, ja? Aber sperrt sie ein, wenn sie siebzehn ist. Bitte.« Erschrocken hielt Lucy inne. » Oh, mein Gott. Ich kann nicht glauben, was ich da eben gesagt habe.«
    Niemand sagte ein Wort.
    » Okay.« Zach war der Erste, der das Schweigen brach. » Soledad? Was ist mit dir? Glaubst du es, ja oder nein?«
    » Nein! Das kann nicht sein!«, erwiderte Soledad mit zitternder, schriller Stimme. » Aber– aber ich glaube, es spielt keine Rolle, was ich oder jemand anders denkt, abgesehen von Lucy. Es ist ein psychologisches Problem. Egal ob es einen Fluch gibt oder nicht, es ist unsere Aufgabe, den Fluch zu brechen.« Aus irgendeinem Grund wandte sie sich direkt an Zach. » Lucy zuliebe, weil sie daran glaubt, obwohl sie es gar nicht will. Darum werden wir sie von dem Fluch befreien.«
    » Wir werden es einfach tun«, fuhr sie zu Leo gewandt fort. » Wir sind schließlich ihre Eltern. Wir müssen herausfinden, wie sie die drei Aufgaben lösen kann. Ich habe die ganze Zeit über das nahtlose Hemd nachgedacht, und ich hab auch schon eine Idee. Weißt du was? Auch Miranda hat mich wegen des nahtlosen Hemds um Hilfe gebeten. Aber damals hab ich es nicht kapiert. Hätte sie mich nur so gefragt, dass ich es verstanden hätte, dann hätte ich vor achtzehn Jahren vielleicht…«
    Leo nahm Soledads Hand. Sie neigte sich zur Seite und legte ihre Wange an seine Schulter. Ihre Stimme klang leise und nachdenklich. » Es gibt bestimmte genetische Veranlagungen in Familien, auch für Krankheiten. Früher hielten die Menschen sie für einen Fluch, aber heute weiß man, dass es an den Genen liegt. Wir haben immer gedacht, dass die

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