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Fluch von Scarborough Fair

Fluch von Scarborough Fair

Titel: Fluch von Scarborough Fair Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Werlin
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feucht und weich, und das Pflügen ging erheblich leichter als auf hartem Boden.
    Als Lucy mit der ersten Reihe fertig war, streute sie mit einem Plastikmessbecher den Kornstaubsand in die Furche. Für das Pflügen und Besäen der ersten Reihe brauchte sie nur etwas mehr als zwei Minuten. Zu Hause hatten sie pro Reihe drei Minuten einkalkuliert. Lucy hätte jubeln können, als sie auf die Uhr sah. Wenn sie in diesem Tempo weitermachte, wäre sie mit den ungefähr 150 Reihen in fünf Stunden fertig. Das war viel schneller als die siebeneinhalb Stunden, die bei der ursprünglichen Kalkulation herausgekommen waren. Und vielleicht schaffte sie es in noch kürzerer Zeit, wenn sie sich erst an die Arbeit gewöhnt hatte.
    Aber was wäre gewesen, wenn sie in gebückter Haltung mit dem Ziegenhorn in der Hand hätte pflügen müssen? Das war gar nicht auszudenken. Gott sei Dank hatte Zach die Idee mit der Schubkarre gehabt.
    In ungefähr 60 Zentimetern Abstand zog Lucy parallel zur ersten Reihe eine zweite. Sie konnte es schaffen. Sie konnte mit dem Pflügen und Säen fertig sein, bevor die Flut kam. Sie musste nur das Tempo beibehalten.
    Doch auf einmal kamen ihr Zweifel. Zu Hause hatte sie mit der Schubkarre lediglich fünfzehn Minuten geübt. Würde sie fünf Stunden durchhalten? Bei Eisregen und Sturm?
    Aber sie konnte sich keine Zweifel oder pessimistischen Überlegungen erlauben, sondern musste einfach weitermachen.
    Nach mehreren Reihen kam sie in einen gewissen Rhythmus, und in Gedanken fing sie an zu singen. Gehst du zum Markt nach Scarborough? Petersilie, Salbei, Thymian und Rosmarein …
    Lucy hasste das Lied, aber es spornte sie an, ebenso wie der Gedanke an den verhassten Elfenritter. Sie machte sogar noch Zeit gut, und die Reihen waren sauber und gleichmäßig gezogen.
    Ein Zauberhemd sie mir fertigen mag …
    Sie soll für mich finden einen Morgen Land …
    Zwischen Meeresgischt und Meeresstrand …
    Sie soll es pflügen mit einer Ziege Horn …
    Und es ganz besäen mit einem einzigen Korn …
    Als Lucy nach einer halben Stunde mit der zehnten Reihe anfing, hatte sie wieder eine Wehe, aber diesmal war sie stärker als zuvor im Auto, und sie unterbrach abrupt ihre Gedanken an das Lied und an den Fluch.
    Es tat weh.
    Instinktiv umklammerte Lucy den Griff der Schubkarre. Es half, sich an etwas festzuhalten, wenn der Schmerz einen durchfuhr. Zach sollte nicht sehen, wie sie sich krümmte.
    Als der Schmerz vorbei war, war sie überrascht, weil er gar nicht so schlimm gewesen war.
    Noch nicht, flüsterte sie in Gedanken.
    Lucy hob die Schubkarre wieder an, hielt dann aber plötzlich inne. Während der Wehe hatte sie sich versehentlich zu fest auf den Griff des Pfluges gestützt, und die Spitze des Ziegenhorns war an einem Gesteinsbrocken auf dem Meeresboden abgebrochen.
    Kein Problem, sagte sie sich. Sie löste die Metallklammer, mit der das zerbrochene Horn befestigt war, zog es heraus und setzte ein neues ein. Kostbare Minuten verstrichen, ehe das neue Horn am richtigen Platz saß.
    Lucy schaute nicht auf, um zu sehen, ob Zach etwas bemerkt hatte. Das hatte sowieso keinen Zweck. Er musste bleiben, wo er war, und sie musste weiterpflügen.
    Sie zog noch eine Furche, und noch eine, und noch eine.
    Ein Zauberhemd sie mir fertigen mag …
    Sie soll für mich finden einen Morgen Land …
    Zwischen Meeresgischt und Meeresstrand …
    Sie soll es pflügen mit einer Ziege Horn …
    Und es ganz besäen mit einem einzigen Korn …
    Lucy verlor jegliches Gefühl für Raum und Zeit. Trotz Kälte schwitzte sie. Schal und Mütze hatte sie schon abgelegt. Manchmal machte sie eine kurze Pause, um das Horn von überschüssiger Erde zu befreien und wieder besser pflügen zu können. Eine Reihe nach der anderen. Eine Stunde verging, dann zwei. Es war harte Arbeit. Als sie aufschaute und die bereits fertige Fläche mit der noch vor ihr liegenden verglich, verließ sie der Mut. Danach hielt sie den Kopf nur noch gesenkt und pflügte weiter.
    Ab und zu– sie wusste allerdings nicht wie oft– hatte sie wieder eine Wehe. Wenn es so weit war, blieb ihr noch genug Zeit, die Schubkarre abzustellen, damit der Druck auf das Ziegenhorn nicht zu groß war und es nicht brach.
    Als sie jedoch etwas mehr als zwanzig Ar gepflügt hatte, kam bei ihr keine Freude auf, denn die noch verbleibende Fläche erschien ihr auf einmal riesig. Sie war in ihrem ganzen Leben noch nie so müde gewesen. Und die Kontraktionen waren jetzt auch ziemlich schmerzhaft.

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